WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

In der im Sommer 2021 erschienenen Nummer 5 unserer Zeitung haben wir uns mit der Geschichte Chinas und seiner Kommunistischen Partei von ihrer Gründung, über die erfolgreiche bürgerliche Revolution 1949 bis zur maoistischen „Kulturrevolution“ beschäftigt und die sozial-ökonomischen Hintergründe der chinesischen Entwicklung beleuchtet. Wir stellen hier die weitere Entwicklung Chinas, über die wir schon 1979 in einem langen Artikel (China auf dem Weg zur imperialistischen Großmacht) geschrieben hatten (Kommunistisches Programm Nr. 22), dar und führen diese Untersuchung bis zur aktuell forcierten imperialistischen Entwicklung der chinesischen Volksrepublik weiter.

1. Chinas Entwicklung zur Großmacht und die Perspektive der proletarischen Revolution

In „Kommunistisches Programm“ Nr.17 vom Februar 1978 hatten wir im letzten Teil unserer Serie über „die soziale Bewegung in China“ festgestellt, dass die maoistische bürgerlich-kapitalistische Gewaltkur notwendig war, um unter den weitgehend autarken Bedingungen eines nationalen Entwicklungsweges die ursprüngliche Akkumulation als Voraussetzung einer funktionierenden kapitalistischen Wirtschaft durchzuboxen. Doch das Konzept, durch ständige Ideologisierung und dem Gemeinwohl verpflichtende Parolen die Volksgemeinschaft nach innen herzustellen und nach außen Autarkie und Protektionismus zu betreiben, kam in den 70er Jahren an sein zwangsläufiges Ende. Die Zeit der 60er Jahre hatte dem chinesischen Kapital klar gezeigt, dass die nach dem Bruch mit Russland heroisch gewählte „Unabhängigkeit“ keine Tugend sein und kaum mehr als Stagnation einbringt konnte, nachdem der erreichte Entwicklungsstand der Produktivkräfte eine Integration in den Weltmarkt geradezu erzwang.

Nur das krasse Niveau der Unterentwicklung bewahrte das China Mao Tse-tungs durchweg vor der Katastrophe. Sowenig wie man die wirtschaftliche Basis von Subsistenzwirtschaft und Kleinproduktion in einen Plan zwingen konnte, – weshalb es China im Gegensatz zum stalinistischen Russland damals nicht zur stolzen Fassade der Fünfjahrespläne brachte –, sowenig konnte China auf Grund dieser Rückständigkeit in Wirtschaftskrisen versinken. Was sich trotzdem ereignete, war sicher nicht gering. Aber alle Krisen wurden von der breiten bäuerlich-handwerklichen Struktur aufgefangen, weswegen man sich relativ rasch erholte, aber auch kaum je recht vom Fleck kam.

In unserem umfangreichen Artikel „China auf dem Weg zur imperialistischen Großmacht“ in „Kommunistische Programm“ Nr. 22 stellten wir fest, dass Zentrale Planung, dieses beliebte Indiz für Sozialismus, in China praktisch nie stattfand. Der erste Plan startete 1955 um zwei Jahre verspätet, denn erst nach Stalins Tod kam der Warenaustausch zwischen Russland und China richtig in Gang. Auch kamen jetzt die russischen Experten, die den völligen Mangel an qualifizierten Kapitalagenten Anfangs wettmachten. Der zweite Plan geriet unter die Räder des „Großen Sprungs“. Der Dritte sollte Anfang 1963 starten, fing aber tatsächlich erst 1966 an. Kaum begann man wieder „planmäßig“ zu wirtschaften, setzte bereits die Kulturrevolution ein, die den für die Überwachung der Planerfüllung nötigen Partei- und Verwaltungsapparat in der Zentrale, aber auch in den Regionen weitgehend zertrümmerte. Auch in der darauffolgenden Periode des vierten Plans konnte von Planung keine Rede sein. Der Fünfte lief 1978 an und sollte von Anfang an nicht mehr als den Rahmen fixieren.

Mit den „Vier Modernisierungen“ die 1978 unter Deng Xiaoping begannen, wurden 1982 die Volkskommunen aufgelöst und in private Parzellen aufgeteilt. 1984 wurden städtische Privatunternehmen mit sieben Mitarbeitern zugelassen, 1988 wurden alle diesbezüglichen Einschränkungen aufgehoben. Nach der Aufnahme offizieller diplomatischer Kontakte zu den USA 1979 wurden vier Sonderwirtschaftszonen für ausländische Investoren eingerichtet.

Die Wirtschaftsentwicklung verlief demnach von Anfang an weitgehend dezentral, denn die zentrale Ebene beschränkt sich auf wenige globale Größen, wie z.B. die Gesamtproduktionsmenge einiger besonders wichtiger Produkte, die Gesamthöhe der staatlichen Investitionen sowie einzelne „Schlüsselaufbauprojekte“, die Verteilung besonders wichtiger Güter etc. Die Einzelbetriebe, bekanntlich auf Profitmaximierung verwiesen, mussten auch damals schon in China den Großteil von Beschaffung und Absatz unter sich ausmachen. Die einzelnen Betriebe warten nicht auf Zuteilung von Rohstoffen und dergleichen „über den Dienstweg“, sondern verhandeln untereinander. Insgesamt verstärkte sich in China in den 70er Jahren der Trend zu einer Unzahl von unabhängigen Produzent:innen, was im Klartext nichts anderes heißt, als dass sich in zunehmenden Maße die kapitalistische Privatproduktion an der Oberfläche zeigt.

Nach der Kulturrevolution und bis zum Tode Maos bestimmten die „Realist:innen“ die Politik, Mao und seine Mannschaft funkten nur über den Propagandaapparat dazwischen. Der 10. Parteitag 1973 brachte ein Patt zwischen den Fraktionen, das sich aber schon beim 5. Volkskongress 1975 weitgehend zugunsten der „Realist:innen“ im Staatsapparat auflöste. Sicher nicht zufällig blieb Mao dieser Versammlung fern und plauderte lieber mit Franz Josef Strauß. Er wollte offensichtlich Tschu En Lai's Programm der „Vier Modernisierungen“ nicht zur Kenntnis nehmen. Mao starb am 9. September 1975. Der Kampf, der nach Maos Tod so schnell und heftig entbrannte, war keine Erscheinung engstirniger Machtpolitik. Vielmehr ging es um die längst überfällige Entscheidung, die Weichen der langfristigen Kapitalakkumulation für das Land zu stellen.

Die „K“P Chinas lernte ihre Lektion und wandte sich dem Westen zu. Drei Tabus der Maoist:innen gingen dabei völlig über Bord: keine Auslandskredite, möglichst kein Rohstoffexport, keine Joint-Ventures. Stattdessen setzte die neue Führung unter Deng Xiaoping seit 1978 auf die Integration Chinas in den Weltmarkt und auf einen Technologietransfer aus dem Westen. Ausländische Unternehmen durften ab den 80er Jahren arbeitsintensive Bekleidungs- und Elektronikfabriken für den Export eröffnen und billige Arbeitskräfte vom Land beschäftigen. Die extrem niedrigen Löhne dieser ersten „Bauern-Arbeiter“, die noch mit ihren dörflichen Gemeinden verbunden waren, hatten ihre Grundlage in der Kombination von Lohnarbeit und Subsistenzlandwirtschaft.

Während in den 80er Jahren neue Gesetze private Firmengründungen und Zeitarbeitsverträge zuließen, sowie Konkurse und Entlassungen legalisiert wurden, strich China 1982 das Streikrecht aus der Verfassung. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Anzahl der „selbständig wirtschaftenden Haushalte“ bis 1988 auf 14 Millionen an. Gleichzeitig sank der Anteil der Landbevölkerung von 82 auf 42 Prozent (der Anteil der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft von 70 auf 27 Prozent).

Zu einer zweiten Welle der Privatisierung der Staatsindustrie kam es am Ende der Jiang-Zemin-Ära zwischen 1998 und 2002. China reduzierte seine Staatsbetriebe auf die strategisch wichtigen Bereiche der Finanzwirtschaft und Schlüsselindustrien und versuchte den Rest als Privatunternehmen international wettbewerbsfähig zu machen. Zwischen 1995 und 2003 sank die Zahl der Beschäftigten in Staatsbetrieben von 112 auf 68 Millionen sowie in Kollektivbetrieben von 31 auf 10 Millionen. Da der Staat von der Wohnung über die Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung bis zur Rente alles an den Arbeitsplatz gekoppelt hatte (Kostenfaktoren, denen er sich entledigen wollte), gab es Anfang der 2000er Jahre eine erste Welle von Arbeiterprotesten gegen Werkschließungen und Unterschlagungen von Betriebseigentum und Rentenkassen durch korrupte Kader. Spektakulär war der Konflikt beim Stahlunternehmen Tonghua Iron and Steel Group im Juli 2009. Im Zuge verbaler Auseinandersetzungen um die Reorganisation des Betriebes kam es zu Handgreiflichkeiten. Laut Medienberichten hat der Manager daraufhin den Arbeiter:innen gedroht: „Auch wenn ich nur noch einen Atemzug in mir habe, seid ihr Morgen alle gefeuert.“ Daraufhin wurde er von der Menge erschlagen.

Die Zunahme der Anzahl der Wanderarbeiter von 79 Millionen im Jahr 2000 auf offiziell 236 Millionen 2012, die zu niedrigsten Löhnen von unter 200 Euro sowie Arbeitszeiten von 12 Stunden und nur einem freien Tag alle zwei Wochen schuften müssen, führte auch zu einer Zunahme wilder Streiks. (Da es den existierenden Gewerkschaften verboten ist zu streiken und die Gewerkschaftsvorsitzenden ohnehin vielerorts die Personalchefs sind). 2010 kam es in der chinesischen Autoindustrie zu einer Streikwelle für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, woraufhin die Regierung zu großen Lohnerhöhungen griff, um die außer Kontrolle geratene Situation zu befriedigen. Seitdem reagiert die „K“P China auf Arbeiter:innenkämpfe mit verrechtlichten Befriedungsmanövern und Repression, wobei letztere stark zugenommen hat.

Auch im Agrarsektor wird die kapitalistische Entwicklung planmäßig vorangetrieben. Nach der Auflösung der Volkskommunen wurde die kleinbäuerliche Landwirtschaft den Raubtiergesetzen des kapitalistischen Marktes unterworfen. Von 1984 bis 2004 verloren so bis zu 180 Millionen Bauern auf „natürlichem“ Wege ihr Land. Jetzt werden von der „K“P China sogenannte „Drachenkopfunternehmen“ (agroindustrielle Konzerne) propagiert und ihre Entwicklung durch Subventionen gefördert. Seit der Liberalisierung der Bodenverpachtung 2008 vollzieht sich die Entwicklung der Landwirtschaft in raschem Tempo. 2008 wurden 17 Prozent der Nutzungsrechte der gesamten agrarischen Fläche an diese „neuen Subjekte“ transferiert, 2013 waren es schon 26 Prozent und 2016 ein Drittel.

Unter Führung der „K“P China kommt die kapitalistische Lösung der Agrarfrage an ihr Ende. Die Beseitigung der bäuerlichen Kleinproduktion und die Umwandlung der Kleinproduzenten in Lohnarbeiter. Zum ersten Mal in der Geschichte bilden die Bauern nicht mehr die Mehrheit der Gesellschaft. Was jetzt nur noch fehlt sind dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion entsprechende gesellschaftliche Produktionsverhältnisse. Dies setzt allerdings die revolutionäre Zerschlagung des kapitalistischen Systems voraus. Und hier sind wir wieder beim wirklichen Marxismus. Die bürgerliche „K“P China hat mit den Proletariern ihre eigenen Totengräber produziert. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich!

2. Die aktuelle imperialistische Entwicklung Chinas

Die Präsenz Xi Jinpings im Herzen der Regierungspartei sei von entscheidender Bedeutung, um den „historischen Prozess der großen Erneuerung der chinesischen Nation zu fördern“, hieß es im Herbst 2021 in der typisch blumigen Rhetorik der „K“P China, die den neuen großen Führer gleich zum „Inbegriff der chinesischen Kultur und Seele“ stilisierte. Die Resolution zu den „wichtigsten Errungenschaften und historischen Erfahrungen des hundertjährigen Kampfes der Partei“, in der dies zu lesen war, ist jedoch mehr als eine personenkultige Lobeshymne. Sie ist die dritte sogenannte „Historische Resolution“. Die erste wurde nach dem siegreichen antijapanischen Krieg von Mao Tse-tung formuliert. Mit der zweiten zementierte Deng Xiaoping seine Linie und mit der aktuellen orientiert der auf dem 18. Parteitag 2012 an die Spitze der Partei getretene Xi Jinping auf die weltweite Stellung, die China als ein historisches Zentrum der Welt wieder einnehmen möchte: Voll entwickelt, reich und mächtig. Und wie es bei großen historischen Plänen üblich ist, wurde auch schon das Datum dafür festgelegt: Der hundertste Geburtstag der „Volksrepublik“ 2049.

Die drei Phasen der kapitalistischen Entwicklung

Schon auf ihrem 19. Parteitag 2017 hatte die KP China eine „neue Ära“ ausgerufen: Nach dem „Aufstehen“ (gan qilai) unter Mao 1949 und dem „wohlhabend Werden“ (fu qilai) unter Deng 1978 jetzt das „stark Werden“ (qiang qilai) unter Xi Jingping. Diese klar definierten Etappen, mit denen die „K“P China die von ihr betriebene planmäßige kapitalistische Entwicklung beschreibt, zeugen von einem beachtlichen historischen Klassenbewusstsein der chinesischen Bourgeoisie. Hierbei hilft ihr sicherlich ein am Marxismus geschultes Verständnis historischer Abläufe, dessen von der „K“P China betriebene Verfälschung, „Sinisierung des Marxismus“ genannt, trotz aller Primitivität und Inkohärenz weltweit ein Orientierungspunkt für Prediger:innen eines „chinesischen Sozialismus“ darstellt. In Wirklichkeit beschreiben diese drei Etappen exakt die drei Phasen der universellen kapitalistischen Entwicklung, die in China erst mit dem Sieg der bürgerlichen Revolution 1949 eingeleitet wurde: Die revolutionäre Phase, die Phase der Stabilisierung und die imperialistische Phase.

Für die revolutionäre Phase der Bourgeoisie in China steht der auf die Bauern gestützte siegreiche nationale Befreiungskrieg unter der Führung Mao Tse-tungs, der die unproduktiven isolierten Produktionsverhältnisse auf dem Land beseitigte und die Möglichkeit der kapitalistischen Akkumulation im nationalstaatlichen Rahmen eröffnete. Allgemein haben wir diese erste Phase in unserem Text über den historischen Zyklus der kapitalistischen Wirtschaft folgendermaßen beschrieben: „Die bürgerliche Revolution (...) ist der soziale Krieg, den die Kapitalisten auslösen und führen, um sich selbst von der Knechtschaft und Abhängigkeit von den alten herrschenden Ständen, die Produktionskräfte von den alten Verboten und die Masse der Handwerker und Kleinbesitzer von derselben Knechtschaft und denselben Schemata zu befreien – eine Masse, die die Armee der Lohnarbeiter liefern soll und frei werden muss, ihre Arbeitskraft auf den Markt bringen zu können.“ (Texte der IKP 3, S.40)

Nach der Machteroberung, dem versuchten großen Sprung und den „kulturrevolutionären“ Mobilisierungen unter Mao, begann Deng Xiaoping in der zweiten Hälfte der 70er Jahre mit klassisch kapitalistischen Entwicklungskonzepten: Privatisierungen auf dem Land („System der Familienverantwortung“), Einführung von Marktbeziehungen, Erhöhung der Autonomie der Staatsunternehmen. Auf diese Entwicklung trifft zu, was wir in unserem Text über die zweite Phase der kapitalistischen Entwicklung schrieben: „Mit der liberalistischen Phase hinterlegt der Kapitalismus in den verschiedenen Ländern die ersten Jahrzehnte seiner großartigen Entwicklung. Die Unternehmen vervielfältigen sich und werden riesengroß, die Arbeitsarmeen vergrößern nach und nach ihre Zahl, die Waren werden in kolossalen Mengen produziert.“ (ebenda, S.41) Hier sei angemerkt, dass die kapitalistische Entwicklung in China spät eingesetzt hatte und von einem niedrigen Niveau aus gestartet war, was die Auswirkungen der nach dem „Nachkriegsaufschwung“ Mitte der 70er Jahre einsetzten weltweiten kapitalistischen Krise minderte.

Den verstärkten Auswirkungen der ökonomischen Krise Ende der 80er Jahre, eine Krise, die das Ende des schwächeren russischen Kapitalismus und seines Ostblocks beschleunigt hatte, wirkte die „K“P China als Kommandobrücke des chinesischen Kapitalismus mit einem radikalen Umbau der eigenen Wirtschaftsstruktur entgegen. Unproduktive staatliche Betriebe v.a. in der Schwerindustrie wurden abgewickelt oder umstrukturiert. So wurden zwischen 1995 und 2003 ca. 65 Millionen Arbeitsplätze im „Rust Belt“ abgebaut, während gleichzeitig ca. 120 Millionen neue Jobs (in und um die Sonderwirtschaftszonen) im „Sun Belt“ geschaffen wurden, was auch eine Ausdehnung des Dienstleistungssektors bedeutete. (Trotzdem macht in China das verarbeitende Gewerbe heute noch 25% der Wirtschaftsleistung aus, in der BRD sind 18% und in den USA nur 11%.) Der Markt wurde zum „entscheidenden Faktor bei der Ressourcenverteilung“ erklärt und seit 1993 wurde offiziell von „sozialistischer Marktwirtschaft“ gesprochen. Während die „K“P China zur Steigerung der Produktivität und Ausdehnung des Marktes also eine massive Privatisierungspolitik betrieb (so reduzierte sich z.B. die Zahl der staatlichen Unternehmen von 1995 bis 2004 von 120.000 auf 25.000), behielt sie bewusst die Richtlinienkompetenz der allgemeinen staatlichen und ökonomischen Entwicklung. Obwohl heute 2/3 der Unternehmen in Privatbesitz sind, spielen die Staatsbetriebe nach wie vor eine gewichtige Rolle. (So waren laut der „Fortune Global 500“-Liste für 2017 z.B. drei chinesische Staatsunternehmen unter den ersten Vier der weltweit umsatzstärksten Unternehmen.) Als die staatlichen Unternehmen in Kapitalgesellschaften umgewandelt wurden, blieben die Unternehmen von strategischer Bedeutung unter staatlicher Vermögensaufsicht (sie wurden an der Börse notiert, der Staat blieb Mehrheitsaktionär). Als Ziel der direkten und indirekten Staatsunternehmen wird nicht nur der unmittelbare Unternehmensgewinn, sondern ihre Funktionalität für die nationale Strategie und Politik der „K“PCh definiert. Dies betrifft nicht nur strategische Wachstumsplanungen, sondern auch die Rolle eines „automatischen Stabilisators“, der zyklische Schwankungen der Wirtschaft durch starke Investitionskapazitäten ausgleichen soll. Die Methoden der staatlichen Leitung sind gesetzliche Vorgaben, steuerpolitische Maßnahmen und unmittelbare politische Einflussnahme. Auf einer nationalen Konferenz über die Entwicklung der Partei in den staatlichen Unternehmen im Oktober 2016 erklärte Xi Jinping z.B., dass „die Führung der Partei in den staatlichen Unternehmen und ihre Rolle in diesen Unternehmen gestärkt und verbessert werden“ soll.

Unter dem Druck der ökonomischen Krise fand also eine Anpassung der chinesischen (Wirtschafts-)Politik an die westlichen Länder statt, allerdings anders, als die im kalten Krieg geschulten westlichen Beobachter es interpretierten. Hinter den Privatisierungen und der Anpassung an die Finanzmärkte stand eine planmäßige strategische (Entwicklungs-)Politik unter staatskapitalistischem Kommando, wie wir sie heute in der zunehmenden protektionistischen und kriegswirtschaftlichen Politik aller imperialistischen Staaten sehen können. Diese Entwicklung ist typisch für die dritte Phase der kapitalistischen Entwicklung, die in Europa ja bekanntlich schon in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts eingesetzt hatte. Wir beschrieben diese folgendermaßen: „Während sich die Wirtschaft in Richtung auf das Monopol und auf die aktive Intervention des Staates in die Wirtschaftssphäre und in die sozialen Kämpfe entwickelte, wurde mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 die betrügerisch pazifistische Phase des kapitalistischen Zeitalters abgeschlossen.“ (Texte der IKP 6, S.27) Wir erklärten, „dass die dritte und modernste Phase des Kapitalismus in der Wirtschaft als monopolistisch und planwirtschaftlich-dirigistisch, und in der Politik als totalitär und faschistisch zu definieren ist.“ (ebenda, S.28) Genau hierfür steht die Politik von Xi Jinping, die expansive staatswirtschaftliche Maßnahmen nach innen und außen, repressiven Überwachungsstaat und Militarisierung bündelt.

Dass diese Entwicklung auch die „Kommunistische“ Partei Chinas als Kommandobrücke des chinesischen Kapitalismus prägt, ist selbstverständlich. Und dies nicht nur bezüglich ihrer nationalistischen Propaganda, sondern auch hinsichtlich ihrer sozialen Zusammensetzung. So erklärte z.B. der chinesische Botschafter in Deutschland Wu Ken im Juni 2021 in einem Interview in der „Jungen Welt“ die 92 Millionen Mitglieder starke KP China zur „Avantgarde aus Arbeiterklasse, Volk und Nation“, deren „Hauptaufgabe“ die „Verwirklichung der sozialistischen Modernisierung und des chinesischen Traums vom Wiederaufleben der Nation“ sei. Seit 2001 fördert die KP den Eintritt von Privatunternehmern. Bis 2014 stieg der Anteil der Parteimitglieder unter den Privatunternehmern auf über 35%. Sie sind inzwischen stärker in der KP vertreten, als es ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht. Großunternehmer sogar stärker als kleine. Sie nehmen in der Partei häufig auch wichtige Funktionen ein. Bezeichnender Weise ist auch der staatliche Unternehmerverband der Einheitsfrontabteilung (!) der „K“PCh unterstellt. Seine Aufgabe ist u.a. die Kreditvermittlung von staatsverbundenen Banken an die Privatwirtschaft.

Staatliche Krisenpolitik und Verschuldung

Angesichts der Gefahren, die der chinesischen Wirtschaft allgemein und ihrer planmäßigen Entwicklung im Besonderen durch die zunehmende Finanzialisierung drohen (mit der der Kapitalismus weltweit auf Verwertungsschwierigkeiten und kapitalistische Krise reagiert), hat die „K“P China verstärkt Maßnahmen zur Durchsetzung der staatlichen Kontrolle auch privater Unternehmen und zur Regulierung v.a. von Technologieunternehmen, die auch Finanzdienstleitungen anbieten, ergriffen (siehe z.B. das Vorgehen gegen die Ant Group, einen der größten Fintechkonzerne der Welt und deren Zahlungsdienst Alipay, staatliche Zwangsbeteiligungen wie bei Bytedance oder auch eine rigidere Kreditaufsicht, die u.a. zum Bankrott von Evergrande geführt hat).

Vor dem Hintergrund gravierender Einkommensunterschiede angesichts von Niedriglöhnen auf der einen und einer börsenspekulationsgetriebenen Milliardärswelle auf der anderen Seite, agitiert die „K“P China gegen „exzessiv hohe Einkommen“ und fordert reiche Unternehmer auf „mehr an die Gesellschaft zurückzugeben“. Was sich prima als sozialistisch motivierte Politik verkaufen lässt und genauso wie die Kampagnen gegen Korruption „beim Volk“ gut ankommt, soll in Wirklichkeit nur die Handlungsfähigkeit des Staates als ideellen Gesamtkapitalisten stärken (ähnlich den Maßnahmen für „Steuergerechtigkeit“ in den westlichen kapitalistischen Ländern), eines Staates, der nicht mehr die Rahmenbedingungen der „freien Konkurrenz“ schafft, sondern die Entwicklungslinien der Wirtschaft vorgibt. So wurden z.B. schon kurz vor dem 13. Nationalen Volkskongress im März 2018 „irrationale Investitionen“ im Ausland verboten, allen voran in Immobilien und der Unterhaltungsindustrie. Gefördert werden demgegenüber Beteiligungen in E-Mobilität und „sensitiven Bereichen“ wie Maschinenbau und Robotik.

Der im Mai 2020 formulierte industriepolitische Ansatz „Made in China 2025“, ein fester Bestandteil des 14. Fünfjahresplans von 2021 bis 2025, legt seinen Schwerpunkt auf den Binnenmarkt. Vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise und Wirtschaftskrieg will China seine exportorientierte Niedriglohnwirtschaft überwinden. Binnenkonsum und die heimischen Unternehmen sollen verstärkt als Wachstumsmotor dienen. China will in bestimmten Schlüsseltechnologien autark werden. Börsengänge an ausländischen Finanzmärkten sollen künftig unterbleiben.

Peking hat dabei seinen Technologieplan „Made in China 2025“ fast originalgetreu vom deutschen Konzept „Industrie 4.0“ übernommen, mit dem der deutsche Imperialismus beabsichtigt „die internationale Spitzenposition Deutschlands in der produzierenden Industrie zu sichern und auszubauen“. „Die Entwicklungskonzepte Chinas und Deutschlands weisen eine große Schnittmenge auf“, erklärte dann auch der chinesische Botschafter Wu Ke in einem Interview in der Jungen Welt vom 19/20/21.Juni 2021. Und ebenda: „Wir wollen die Kraft aller 1,4 Milliarden Chinesen bündeln, um die chinesische Nation wiederaufleben zu lassen.“ Zur besonderen Beziehung von China und Deutschland, die unter starkem Druck des US- Imperialismus steht, sei hier nur kurz angemerkt: China ist der wichtigste Handelspartner der BRD (Mit einem Volumen von 246 Milliarden Euro aktuell noch vor den USA). Trotzdem propagiert Wirtschaftsminister Habeck den Wirtschaftsaustausch mit China zu reduzieren, indem er wie die USA Investitionsgarantien streichen bzw. Investitionen ganz der behördlichen Kontrolle unterwerfen will. Dies widerspricht den unmittelbaren Interessen großer Teile der deutschen Industrie. In den ersten sechs Monaten 2022 investierten deutsche Unternehmen 10 Milliarden Euro in China, und damit mehr als jeweils in den kompletten Jahren seit 2000. Z.B. steht das größte aller Werke von Mercedes in Peking. Vor dem Hintergrund zunehmender protektionistischer Gefahren orientieren diese Unternehmen jetzt auf eine Lokalisierung ihrer Investitionen in China (um für den dortigen Markt mit chinesischen Zulieferern zu produzieren), womit sie sich nebenbei auch dem chinesischen „Binnenwirtschaftskonzept“ anpassen.

Trotz ihrer nachholenden Dynamik wurde auch Chinas wirtschaftliche Entwicklung stark von der kapitalistischen Krise geprägt, die mit der Finanzkrise 2008 einen letzten Höhepunkt gefunden hatte und gegen deren Folgen das internationale Kapital immer noch erfolglos ankämpft. So hat China im Jahr 2017 nur noch 9 Prozent seiner Produktion exportiert, während es im Jahr 2007 noch 17 Prozent waren. Im 2. Quartal 2022 erreichte es nur einen Zuwachs des BIP von 0,4 Prozent, nach drei Jahrzehnten zweistelliger BIP-Wachstumsraten!

Mit verstärkten Staatsinvestitionen will China jetzt internationalen Absatzschwierigkeiten entgegenwirken und hofft neue Märkte im eigenen Land zu erschließen. So werden 34 Billionen Yuan (4,9 Billionen US-Dollar) in „neue Infrastrukturprojekte“ wie 5G-Technologie, Internet der Dinge und intelligentes Verkehrswesen investiert und natürlich – ähnlich dem deutschen Beispiel – auf eine „Kapitalvertiefung der Ökowirtschaft“ orientiert. Allerdings ist die soziale Ungleichheit in China in den letzten Jahren explodiert. Im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum war der Lohnanteil am Einkommen in China von Anfang an niedrig. Gleichzeitig sind die Privathaushalte heute in großem Umfang verschuldet, was angesichts stagnierender Einkommen und fallender Immobilienpreise (für viele eine Anlage und „Sicherheit“) nicht den Binnenkonsum sondern die Krisen verstärken dürfte.

Zwar hat China zum 100 Jubiläum der „K“PCh das „Ende der absoluten Armut“ verkündet, nachdem die Partei selbst die Messlatte dieses Elends ein Viertel niedriger als die Weltbank angesetzt hatte: Mit 1,25 Euro pro Tag! Allerdings wurde auch dies größtenteils schuldenfinanziert durch Mikrokredite für Kleinstunternehmer, flächendeckende Arbeitsprogramme und sozialen Wohnungsbau. Schon nach der Krise 2008 war durch ein großes Konjunkturpaket der Arbeitsmarkt vor allem durch Ausdehnung des Bausektors stabilisiert worden. Eine enorme Ausweitung der Verschuldung war die Folge. Von Ende 2000 bis Juli 2014 wuchs der Gesamtkreditbestand im chinesischen Finanzsystem um 688% (von 9,9 auf 78,02 Billionen Yuan), während das Wachstum des BIP 473% betrug.

Der chinesische Wissenschaftler Wen Tiejun, Gründungsmitglied der Global University for Sustainability, beschrieb in einem Artikel über Chinas Platz im Weltsystem („Junge Welt“ vom 21.12.2022) erstaunlich reflektiert die chinesische Wirtschaftspolitik seit der Wirtschaftskrise 2008. „Als Reaktion auf die Krise führte die chinesische Regierung angebotsseitige Reformen durch und ergriff Maßnahmen, die im Grunde prozyklisch waren: Deindustrialisierung und Finanzialisierung.“ Der immer größer werdende Finanzsektor wanderte – wie auch in anderen kapitalistischen Ländern - mangels anderer profitabler Anlagemöglichkeiten in den spekulativen Immobiliensektor. Und auch viele Privathaushalte (der von der chinesischen Regierung herbeigewünschte „breite Mittelstand“) legten angesichts von Inflation, unsicheren Aktienkursen und Kapitalverkehrskontrollen ihre Vermögen im Immobiliensektor an.

Der Gesamtwert der Immobilien in siebzig Großstädten Chinas belief sich im Jahr 2018 auf 65 Billionen US-Dollar, mehr als in den USA, der EU und Japan zusammen. Der Immobiliensektor machte 2021 fast 30% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die gebauten Wohnungen dienen dabei weniger dem Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf, sondern werden – wie ja auch bei uns bekannt - als spekulative Ware gehandelt. 2021 stand knapp ein Fünftel des chinesischen Wohnungsbestandes leer, weil die Preise für die Bevölkerung oftmals zu hoch waren. Eine chinesische Besonderheit: Der Grund und Boden ist Staatseigentum, seit den Reformen Anfang der 80er Jahren können allerdings die Nutzungsrechte käuflich erworben werden, wodurch der Spekulationsmarkt nicht auf der Grundlage der Eigentums-, sondern der Nutzungsrechte entstand. Hier zeigt sich einmal mehr die marxistische Wahrheit, dass der Kapitalismus keine Frage des Eigentums ist (staatlich oder privat), sondern der warenförmigen Verwertung.

Im September 2021 kam es dann zur Pleite des größten chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande, der mit fast 300 Milliarden Dollar verschuldet war. Vorausgegangen waren neue Regulierungsauflagen der Regierung für die Kreditaufnahme von Unternehmen und für den Immobilienkauf (Erhöhung der Eigenkapitalquote und Schuldenbegrenzung), die von Evergrande nicht mehr erfüllt werden konnten. Evergrande (ein Mischkonzern mit 200.000 Mitarbeitern, der auch auf Elektroautos, Versicherungen und Freizeitparks machte und dessen Gründer Hui Ka Yan zeitweilig als reichster Chinese galt, der auch schon vor dem Nationalen Volkskongress auftrat), hatte von den Provinz- und Gemeinderegierungen, die ihre Infrastrukturprojekte finanzieren wollten, Nutzungsrechte an Land erworben, auf denen er dann Häuser baute und vor Fertigstellung verkaufte. Er wurde das erste Opfer der staatlichen Eindämmungsmaßnahmen gegen den schuldenfinanzierten Boom des Immobiliensektors, was zu großen Verlusten bei Banken und Erschütterungen an Chinas Börsen führte. Die Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung der Auswirkungen des Evergrande-Zusammenbruchs sahen dann auch eine Reduzierung des Mindestreservesatzes der Banken vor, um deren fragile Liquidität zu erhalten.

Der schon erwähnte Wen Tiejun schrieb: „Immobilien sind zu einer untragbaren Belastung für die chinesische Gesellschaft und Wirtschaft geworden, die die chinesische Regierung in die Enge treibt. Ein weiteres Anwachsen der Immobilienblase muss verhindert werden, aber ein Absturz der Immobilienpreise wäre ebenfalls eine Katastrophe.“ Am Beispiel der Immobilienblase zeigt sich das gesamte Problem des Kapitalismus: Das Fehlen profitabler und produktiver Anlagemöglichkeiten des Kapitals. Die produktiven Investitionen stehen unter dem Druck der fallenden Profitrate und für eine Ausdehnung der Produktion fehlen die Märkte, die Blasen der „ersatzweisen“ spekulativen Profite drohen die gesamte Wirtschaft in den Abgrund zu reißen.

Schon Marx und Engels haben festgestellt, dass der Markt für die kapitalistische Produktion ständig erweitert werden muss, während die zwangsläufige Zunahme der Produktivität und Ausbeutung ihn verkleinert und dass ein (zunehmend bedeutender) Teil des Gesamtkapitals sich als Geldkapital verselbständigt und ständig nach neuen Anlagemöglichkeiten sucht. „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel, überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“ (Manifest der Kommunistischen Partei) „Der täglich wachsenden Raschheit, womit auf allen großindustriellen Gebieten heute die Produktion gesteigert werden kann, steht gegenüber die stets zunehmende Langsamkeit der Ausdehnung des Marktes für diese vermehrten Produkte. Was jene in Monaten herstellen, kann dieser kaum in Jahren absorbieren. Dazu die Schutzzollpolitik, wodurch jedes Industrieland sich gegen die anderen und namentlich gegen England abschließt und die heimische Produktionsfähigkeit noch künstlich steigert. Die Folgen sind allgemeine chronische Überproduktion, gedrückte Preise, fallende und sogar ganz wegfallende Profite; kurz die altgerühmte Freiheit der Konkurrenz ist am Ende ihres Lateins und muss ihren offenbaren skandalösen Bankrott selbst ansagen.“ (Das Kapital, 3.Band)

Lenin, der vor dem Hintergrund der Entwicklung am Anfang des 20.Jahrhunderts die Positionen von Marx und Engels präzisiert und in vollkommenem Einklang mit der marxistischen Methode entwickelt hat, definierte die kapitalistische Entwicklung zum Imperialismus. „Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf einer Entwicklungsstufe, auf der die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausbildet, der Kapitalexport eine hervorragende Bedeutung gewonnen, die Verteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde zwischen den größten kapitalistischen Ländern abgeschlossen ist. (...) Das Finanzkapital und die Trusts schwächen die Unterschiede im Tempo des Wachstums der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft nicht ab, sondern verstärken sie. Sobald aber die Kräfteverhältnisse sich geändert haben, wie sollen dann unter dem Kapitalismus die Gegensätze anders ausgetragen werden als durch Gewalt? (...) Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überall den Drang nach Herrschaft, aber nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welcher politischen Ordnung, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet – das ist das Resultat dieser Tendenz.“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus)

Lenin richtete sich auch gegen den Opportunismus (Kautskys), der eine „andere, angeblich durchaus mögliche bürgerliche Politik auf derselben Basis des Finanzkapitals“ behauptete, die nicht-monopolistisch, nicht-gewalttätig und nicht-annexionistisch ist, was ja heute auch von den linken Verteidigern der chinesischen Politik für möglich gehalten wird. Demgegenüber zeigt sich gerade in der aktuellen Entwicklung, wie sich China zu einer klassischen imperialistischen Macht entwickelt hat.

Imperialistische Expansion und Überwachungsstaat

Die 2013 von Xi Jinping vorgestellte „Belt and Road Initiative“ (RBI, auch „Neue Seidenstraße“ genannt), die 2015 in den 13. Fünfjahresplan integriert wurde, ist die zentrale Säule der expansiven chinesischen Wirtschafts- und Außenpolitik. Mit ihr sollen neue Absatzmärkte und Investitionsstandorte für chinesische Unternehmen im Energie- und Transportsektor, in der Schwerindustrie und im Agrarbereich erschlossen werden. Auf klassisch imperialistische Weise subventioniert China mit den dafür notwendigen Krediten seine Konzerne (die allein in den Zielländern die Aufträge ausführen dürfen) und schafft durch Schulden neue Abhängigkeitsverhältnisse. Der Anteil der Schulden Afrikas an China beträgt inzwischen etwa ein Viertel der gesamten afrikanischen Schuldenlast. In bekannter imperialistischer Rhetorik will China mit der BRI auch „Rohstoffsicherheit“ erreichen. China, das auch auf Nahrungsmittelimporte angewiesen ist, fördert mit der RBI nicht zuletzt den Einstieg seiner Unternehmen direkt in die Nahrungsmittelproduktion auf gekauften oder gepachteten Flächen in Afrika und Asien, was in den jeweiligen Ländern schon als „Land Grabbing“ bezeichnet wird.

Da im Imperialismus eine wirtschaftliche Expansion nicht ohne eine militärische möglich ist, will China bis 2049 nicht nur die weltweit führende Industrienation sein, auch die sog. Volksbefreiungsarmee soll dann „eine Spitzenarmee auf Weltniveau“ darstellen. Unter Xi Jinping wurden die Streitkräfte umstrukturiert und technisch modernisiert. Der Militärhaushalt 2018 betrug mit 140 Milliarden Euro 8,1 Prozent mehr als 2017. Tendenz steigend.

Auf Arbeiter:innenproteste für regelmäßige Lohnzahlungen und Streiks wird in China zunehmend repressiv reagiert. Nach der Coronakrise, die Arbeitslosigkeit und Lohnsenkungen befördert hat, haben auch kleine Arbeitskämpfe wieder zugenommen, gegen die der Staat regelmäßig mit seiner Polizei vorgeht. Insgesamt entwickelt sich China zum perfekten Überwachungsstaat, von der Einführung eines flächendeckenden „sozialen Kreditsystems“ (mit dem konformes Verhalten belohnt und abweichendes bestraft wird) bis zur totalen digitalen Kontrolle. So soll z.B. die Polizei mit digitalen Brillen ausgestattet werden, die in Echtzeit Gesichter erkennen und Personeninformationen liefern. Doch nicht nur im Bereich des Digitalen auch im „Genetischen“ lassen die chinesischen Überwachungsstrategen ihrer Phantasie freien Lauf, mit einer wahllosen Speicherung von DNA-Proben bei allgemeinen Gesundheitstests (erstmal erprobt bei nationalen Minderheiten).

Die Gefahr des imperialistischen Krieges

China, dass seiner neuen außen- und verteidigungspolitischen Stoßrichtung entsprechend „rule maker“ statt „rule taker“ in der Weltpolitik werden will, fordert dabei natürlich die noch stärkste imperialistische Macht, die USA, heraus. Die Nationale Sicherheitsstrategie der USA vom Herbst 2022 bezeichnet China als zentrale „Herausforderung“ der USA: China sei „das einzige Land“, das „sowohl die Absicht“ habe, „die internationale Ordnung neu zu gestalten“, als auch „in zunehmendem Maß die ökonomische, diplomatische, militärische und technologische Macht, dieses Ziel voranzubringen“. Man werde alles daran setzen China „niederzukonkurrieren“. „Es ist klar, dass die kommenden zehn Jahre die entscheidende Dekade sein werden.“ Und auch die NATO, das wichtigste machtpolitische Instrument des US-Imperialismus, orientiert auf eine Ausdehnung in den asiatisch-pazifischen Raum (mit Japan und Australien) und erklärt in ihrer aktuellen Strategie: „Die von der Volksrepublik China erklärten Ziele und ihre Politik des Zwangs stellen unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte vor Herausforderungen.“ Die parallel zum amerikanisch-russischen Krieg um die Ukraine (und Europa) forcierten diplomatischen und militärischen Geplänkel um Taiwan zeigen, wohin die Reise geht: In die Richtung umfassender militärischer Konflikte, wenn nicht gar eines imperialistischen Weltkrieges. Es ist die Aufgabe der internationalen Arbeiter:innenklasse, dies durch eine Zunahme des Klassenkampfes in allen imperialistischen Ländern zu verhindern!

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