WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

In der letzten Ausgabe unserer Zeitung berichteten wir über den Arbeitskampf der Pflegekräfte der Charité für einen Tarifvertrag Entlastung, der bessere Arbeitsbedingungen garantieren soll, der aber zum Zeitpunkt des Erscheinens unserer Zeitung noch im Gange war. Wir kritisierten die Rolle der Gewerkschaft ver.di, die mit der Fokussierung auf Wahlen und andere bürgerliche Politikformen sowie mit teils rein symbolischen Streiks wieder einmal versuchte, die Kämpfe ins Leere laufen zu lassen und die Wut der Beschäftigten zu kanalisieren. Nichtsdestotrotz gehört eine breite Öffentlichkeitsarbeit und die Solidarisierung mit anderen sozialen Initiativen und Teilen unserer Klasse sowie der Austausch und die Vernetzung der Pflegekräfte untereinander zweifellos zu den positiven Merkmalen dieses Arbeitskampfes. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass vor allem Streiks ein für das Kapital schmerzhaftes Druckmittel darstellen, weil sie die Profitproduktion direkt unterbrechen. Genau deshalb ist es wichtig, dieses Druckmittel auch in aller Härte auszunutzen und sich nicht in nutzlosen Appellen, Wahlaufrufen und Unterschriftenlisten zu verlieren. Dieser Arbeitskampf hat gezeigt, dass überhaupt eine Kampfdynamik entstanden ist, die neben dem Management auch ver.di unter Druck gesetzt hat und vor allem, dass es möglich ist, im Pflegesektor nicht nur für höhere Löhne, sondern auch für bessere Arbeitsbedingungen und Personalbemessungen zu kämpfen. Dementgegen stehen die größtenteils schlechten Erfahrungen mit den bisherigen Tarifverträgen Entlastung, die zu vage formuliert waren und vom Management der Kliniken nur unzureichend umgesetzt oder gänzlich missachtet wurden, weil es hier keine wirksamen Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung gab.

Inzwischen gibt es seit dem 8. Dezember 2021 einen Tarifabschluss bei den Pflegekräften der Charité (Tarifvertrag Gesundheitsfachberufe), welches das größte Krankenhaus in Europa ist und zu 100 Prozent dem Land Berlin gehört. Auch mit dem landeseigenen Klinikkonzern Vivantes, der größte kommunale Klinikkonzern in Deutschland, wurde am selben Tag ein vergleichbarer Tarifvertrag (Tarifvertrag „Pro Personal Vivantes“) geschlossen. Jeweils um die 96% der ver.di-Mitglieder stimmten bei beiden Kliniken, die in der Hauptstadt etwa die Hälfte aller Krankenhausbetten stellen, für das Verhandlungsergebnis. Deshalb lohnt es sich, sich einerseits die Ergebnisse noch einmal anzuschauen sowie andererseits die Umsetzung der vage formulierten Entlastung seitens des Managements der Kliniken.

Der Streik

Nachdem das von den Pflegekräften an Politiker und Management der Kliniken gestellte Ultimatum von 100 Tagen verstrichen war (begleitet von unterschiedlichsten Aktionen, die zwar teils öffentlichkeitswirksam, aber auch von nutzlosen Appellen an die Politik und ans Management begleitet waren, wie die Überreichung von 8.397 Unterschriften am 12. Mai), ist erwartungsgemäß erstmal nichts passiert, da es bis dahin keine unbefristeten Streiks gegeben hatte.

Wie groß die gefährlichen Illusionen in die bürgerliche Politik bei sozialen Kämpfen sind, lässt sich in der Zeitung „Analyse und Kritik“ vom 19. Oktober 2021 in einem ausführlichen Bericht einer Aktivistin nachlesen:“Und wir hatten angenommen, dass bei landeseigenen Unternehmen mit bevorstehenden Abgeordnetenhauswahlen dieser Druck groß genug sein würde, um unsere Forderungen zu erfüllen... Trotz vieler Zusagen von Spitzenpolitiker*innen, dass sie auf die Klinikleitungen einwirken wollten, zog das keine konkreten finanziellen Zusagen nach sich. Dazu war der Eigentümer – das Land Berlin – nicht bereit.“

Allerdings wurden diese 100 Tage genutzt, um eine breitere Öffentlichkeit zu schaffen, und um die Organisierung und den Austausch unter den Kolleg_innen zu verbessern. So wurde in den Teams über Forderungen diskutiert und darüber, wie die Situation konkret verbessert werden kann. Nachdem sich ein Team auf eine Forderung geeinigt hatte, wurden Teamdelegierte gewählt. Die circa 1.000 Teamdelegierten haben dann die Forderungen bei einer Versammlung am 9. Juli im Stadion „An der Alten Försterei“ des Fußballclubs „Union Berlin“ zusammengetragen.

Im August gab es dann erste Warnstreiks und im September traten die Pflegekräfte der Charité für 30 Tage, die von Vivantes für 35 Tage in einen unbefristeten Streik, unterbrochen durch Verhandlungen. Am Streik beider Kliniken beteiligten sich anfangs ca. 1.000 Beschäftigte, ver.di hatte jedoch später die Anzahl der Streikenden auf ca. 2.000 Beschäftigte erhöht.

Beide Kliniken weigerten sich, Notdienstvereinbarungen zu unterzeichnen, die sicherstellen sollen, dass Notfälle weiterhin behandelt werden und keine Patient_innen gefährdet werden. Daraufhin haben die Beschäftigten selber eine solche Notdienstvereinbarung beschlossen und Stationsschließungen sechs Tage vorher und Bettenschließungen drei Tage vorher angekündigt. Für Bereiche, die nicht komplett geschlossen werden können, wurden Notbesetzungen festgelegt. Anfangs versuchte Vivantes, gerichtlich gegen die Streiks vorzugehen (was die Charité in der Vergangenheit ebenfalls versucht hatte).

Während in der Charité nur zwei Stationen geschlossen waren, wurden bei Vivantes 16 Stationen geschlossen und außerdem viele Betten gesperrt. Das ist damit zu erklären, dass zum einen die Missstände bei Vivantes größer waren, zum anderen das Klinikmanagement noch weniger bereit war, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen.

Am 5. Oktober fand eine öffentliche Pressekonferenz an der Berliner Volksbühne statt, um breitere Teile der Öffentlichkeit zu erreichen.

Am Samstag, den 9. Oktober, fand in Berlin eine Demonstration mit ca. 5.000 Menschen statt, die von der „Berliner Krankenhausbewegung“, in der sich die Beschäftigten von Vivantes und Charité zusammengeschlossen haben, organisiert wurde. Darunter sichtbar auch Fahradkuriere von Gorillas, Aktivist_innen der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW.

Am 7. Oktober einigten sich ver.di und Charité auf ein Eckpunktepapier, aus dem dann der Tarifvertrag hervorgegangen ist, bei Vivantes gab es eine solche Einigung wenige Tage später, am 12. Oktober. Am 8. Dezember 2021 wurde in beiden Kliniken der Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 3 Jahren (1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2024) in einer Urabstimmung von den ver.di-Mitgliedern beschlossen.

Das Ergebnis und eine kurze Bewertung

Für viele sich als links verstehende Menschen und Gruppen war der Streik ein voller Erfolg, z.B. „Der Streik endete mit dem Sieg der Beschäftigten.“ (Gisela Notz in „lunapark 21“ vom 8. Januar 2022) oder „Berliner Krankenhausbewegung: So haben wir gewonnen.“ in Marx21 (einer trotzkistischen Organisation innerhalb der Linkspartei).

Die Realität für die Beschäftigten ist aber komplizierter: Zunächst kann festgehalten werden, dass die Entlastungs-Tarifverträge Verbesserungen für die Beschäftigten enthalten, die von den Kliniken nur widerwillig nach einem längeren Arbeitskampf zugebilligt wurden. Dies ist ein Teilerfolg oder vielleicht ein Etappensieg, da diese längst noch nicht ausreichen. Letztendlich hängt der Erfolg aber von der realen Umsetzung der vereinbarten Personalschlüssel ab und die war in der Vergangenheit eher schleppend. Und selbst dann bleibt die Belastung für die Pflegekräfte immer noch auf einem sehr hohen Niveau bei unzureichender Bezahlung, es wird gerade einmal etwas Druck abgelassen. Hinzu kommt die sehr lange Laufzeit von 3 Jahren, in der faktisch ein Streikverbot herrscht und das Management seine Ruhe vor den wütenden Beschäftigten hat.

Ein weiterer positiver Aspekt ist natürlich die Tatsache, dass die Kämpfe überhaupt in dieser Form geführt wurden, trotz der zögerlichen Haltung des Gewerkschaftsapparates in den letzten Jahren (siehe unser Artikel in „Kommunistisches Programm“ 2021). Zum anderen wurden neue Strukturen wie die Teamdelegierten erprobt und aufgebaut und es fanden Schulungen und Wissenstransfers auf unterschiedlichen Ebenen statt.

Bei der Charité wurde festgelegt, dass 700 zusätzliche Beschäftigte angestellt werden, das ist bereits fast eine Halbierung von der ursprünglichen Forderung von 1.200 – und die Klinikleitung hat hierfür 3 Jahre Zeit. Insgesamt ist das immer noch viel zu wenig, um den akuten Personalmangel zu beseitigen und es ist unklar, ob diese Kräfte tatsächlich eingestellt werden.

Auch der Personalschlüssel hat sich verbessert. Bisher war auf Intensivstationen eine Pflegekraft für bis zu 4 Patient_innen zuständig, im Nachtdienst für 20 – 30. Jetzt sollen es eine 1:1 bzw. 1:10 – 1:17 Betreuung geben. In den Kreißsälen soll nun eine Hebamme nur eine Frau bei der Geburt begleiten statt wie vorher teilweise drei Frauen.

Bei Arbeit in fünf unterbesetzten Diensten bekommen Mitarbeiter_innen nun einen Belastungspunkt – dies entspricht acht Stunden Freizeitausgleich. Begrenzt ist dies aber auf 5 freie Tage pro Jahr.

Auch bei Vivantes wurde ein Punktesystem mit Freischichten eingeführt, wenn Schichten unterbesetzt sind. Dieses ist aber schlechter geregelt als bei der Charité: Hier gibt es statt für 5 unterbesetzte Schichten (Charité) erst für 9 unterbesetzte Schichten einen freien Tag. Dies soll aber bis 2024 auf das Niveau der Charité angeglichen werden.

Die Bezahlung wurde nicht verhandelt, da hierfür noch der Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVÖD) gilt.

Inzwischen gibt es in den Medien auch einige Berichte über die Umsetzung des Entlastungs-Tarifvertrags. So schreibt die taz vom 27. April 2022 über eine Intensivpflegerin in der Charité, dass sie „noch immer ‘sehr häufig in belasteten Schichten arbeiten’ [müsse] – also in solchen, in denen sie mehr Patient_innen betreuen muss, als laut Tarifvertrag erlaubt ist.“ Glücklich ist die Pflegerin jedoch darüber, „dass die Überlastung überhaupt gemessen wird“ und es einen Freizeitausgleich gibt. Auch gebe es „Reibungen“ mit der Charité-Leitung, welches Personal in die Überlastungssoftware eingerechnet wird. So würde die Geschäftsführung etwa Stationsleitungen, die im Büro und nicht „am Bett“ arbeiten, einbeziehen – obwohl sie zur Entlastung der Pfleger_innen gar nichts beitragen.“ Bei Vivantes lässt man sich bei der Umsetzung des Tarifvertrages noch mehr Zeit, was in unterschiedlichen Medien problematisiert wird, hier noch einmal die taz: „es sei offenkundig, dass Vivantes sich mit der Umsetzung viel Zeit lasse. Viele Informationen, die der Betriebsrat brauche, gebe die Geschäftsführung nur zögerlich heraus.“

Für die Gewerkschaft ver.di hat sich der Arbeitskampf auf jeden Fall auch gelohnt: es wurden über 2000 neue Gewerkschafter_innen gewonnen. Dies ist in der Tat auch eine wichtige Voraussetzung, um weiterhin Kämpfe in den beiden Kliniken führen zu können.

Positiv hervorzuheben ist abschließend, dass der Arbeitskampf eine Art deutsches Pilotprojekt für Kämpfe im Pflegesektor war und auch Ausstrahlungskraft auf andere Kliniken hat wie die Asklepios Kliniken Brandenburg oder in Nordrhein-Westfalen (die Unikliniken in Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen und Münster). Hier haben im August 73,58% der befragten ver.di-Mitglieder an den Unikliniken und die ver.di-Tarifkommission dem neuen Tarifvertrag „Entlastung“ nach 77 Tagen Streik zugestimmt. Allerdings muss auch hier vor allzu viel Optimismus gewarnt werden, wie ein Artikel von Gudrun Giese betont, der in der „jungen welt“ vom 21. Juli mit der Überschrift „Reicht bei weitem nicht“ erschienen ist: „Das ist ein hart erkämpfter Tarifabschluss, und was er in der Praxis wert ist, muss sich erst noch zeigen.“

Der Arbeitskampf der Pflegekräfte hat gezeigt, dass es wichtig und möglich ist, sich zu organisieren und für die eigenen Klasseninteressen zu kämpfen. Nur so kann eine Stärke entstehen, mit der auch begrenzte Verbesserungen erzielt werden können. Außerdem wurde wieder einmal deutlich, dass die staatstragenden Gewerkschaften solche Kämpfe zwar bis zu einem gewissen Grad unterstützen (oder manchmal sogar dank engagierter Gewerkschaftler_innen an der Basis diese erst ermöglichen), aber auch versuchen die Unzufriedenheit zu kanalisieren und die Proteste zu begrenzen. Deshalb ist es notwendig, wie wir stets betonen, dass aus den Kämpfen neue, authentische gewerkschaftliche Strukturen entstehen, die mit Sozialpartnerschaft, Korporatismus und dem Staat brechen. Dies ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass wir zu einer Wiederaufnahme des Klassenkampfes kommen und größere Erfolge erzielen können. Da aus den Kämpfen selber in der Regel nur ein spontanes Bewusstsein entsteht, ist vor allem der Aufbau und die Verankerung der Internationalen Kommunistischen Partei auf weltweiter Ebene essentiell, damit durch deren politische Arbeit ein Klassenbewusstsein entstehen kann und für unsere Klasse wieder die Perspektive einer klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft eröffnet wird. Dafür kämpfen und arbeiten wir.

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