WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

Aus Anlass des 100. Jahrestages der Gründung der „Kommunistischen“ Partei Chinas, der nicht nur in der Volksrepublik selbst, sondern weltweit von allen Parteigängern mit großem Tamtam gefeiert wurde (in Deutschland z.B. von der Tageszeitung „Junge Welt“, inzwischen hier vielleicht eines der größten Propagandaorgane der chinesischen Politik) werden alle Verfälschungen und Verdrehungen über die jüngere Geschichte Chinas wieder aufgetischt, mit denen sich unsere Partei schon in einer Vielzahl von Untersuchungen in den 60er und 70er Jahren beschäftigt hat (z.B. in einer Artikelserie in Kommunistisches Programm zur „sozialen Bewegung in China“).

War es Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre die unzufriedene Jugend v.a. westdeutscher Provenienz, die sich über den Zirkus der „Kulturrevolution“ für Mao und die erste Etappe der bürgerlichen Revolution in China begeisterte, sind es heute ehemalige „Realsozialisten“ v.a. ostdeutscher Provenienz, denen ihr Staat verloren gegangen ist, die sich für die mit Deng Xiaoping 1978 begonnene zweite Etappe erwärmen. Sie frohlocken über die wirtschaftlichen Erfolge Chinas auf dem Weg zur weltgrößten Wirtschaftsmacht, mit dem der vermeintlich doch siegreiche Sozialismus endlich den Westen „einholt ohne ihn zu überholen“ (wovon schon Ulbricht schwärmte) und mahnen allenfalls noch kritisch die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ an (womit ja schon Honecker seine Probleme hatte). An die alten politisch-ideologischen Gräben z.B. zwischen der SED und der KP China will sich da niemand mehr erinnern.

Während in der Jubiläumsbeilage der Jungen Welt am 7. Juli 2021 der „Geist der Eigenständigkeit und nationalen Einheit“ als Basis des „chinesischen Wunders“ bejubelt wurde, beschrieb der China-Experte Wolfram Adolphi am 24./25. Juli 2021 im ND seine Essenz dieses 100. Geburtstages so: „Die seit dem Aufkommen des Kolonialismus im Westen verbreitete Vorstellung, allein er – der Westen – bestimme, wohin und wie die Menschheit sich entwickeln werde, ist mit der Entwicklung Chinas endgültig an ihre Grenzen gekommen.“ Nationale Einheit, internationale Hegemonie... – Der antiproletarische Charakter dieser ganzen Lobhudeleien wird deutlich, wenn man sich die Ersetzung der sozialen Emanzipation durch die nationale Emanzipation als bejubelte Zielgröße ansieht. Wenn dann doch einmal von sozialer Emanzipation die Rede ist, dann als paternalistisches Sozialstaatsprojekt und Reformprodukt kapitalistischer Produktivkraftenwicklung, womit das revolutionäre marxistische Verständnis der Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ins Gegenteil verkehrt wird (nicht entwickelte Produktivkräfte erfordern neue Produktionsverhältnisse, stattdessen sollen vermeintlich antizipierte Produktionsverhältnisse die Produktivkräfte auf eine neue Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung heben). So zeigt sich z.B. der schon zitierte Adolphi begeistert von der chinesischen Weise der Produktivkraftentwicklung, die in „keinem bisherigen Sozialismusversuch je gelungen ist.“ Doch nicht die – zwangsläufig kapitalistische – Produktivkraftenwicklung ist die revolutionäre Aufgabe des Proletariats, sondern die Sprengung der fesselnden kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Eine Aufgabe die aus weltrevolutionärer Perspektive im höchst unterschiedlich entwickelten Kapitalismus des 20. Jahrhunderts potentiell möglich gewesen wäre und die jetzt (auch in China) objektiv auf der Tagesordnung steht.

Wenn wir uns im Folgenden mit der chinesischen Entwicklung beschäftigen, dann geht es uns weniger um den geopolitischen Blick noch um die wechselnden politisch-ideologischen Hüllen, sondern um die historisch-materialistische Untersuchung der sozialökonomischen Umwälzung Chinas im Sinne des Marxismus: „In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten. Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebenso wenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondern muss vielmehr dieses Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären.“ (Karl Marx. Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie. MEW 13, S.9)

Wir werden in zwei Artikeln in dieser und der folgenden Nummer unserer Zeitung die Entwicklung der bürgerlichen Revolution und des Kapitalismus in China behandeln. Im ersten Teil (Mao Tse-tung und die bürgerliche Revolution in China) werden wir uns mit der Ausgangslage der chinesischen Revolution, der zu lösenden Agrarfrage und der Rolle der Bourgeoisie beschäftigen. Wir werden den Formwechsel der jungen Kommunistischen Partei nach der blutigen Niederschlagung der Arbeiterklasse 1926 / 1927 darstellen, die – auf die Bauern gestützt – das Programm der Koumintang vollendete. Mao Tse-tung wurde die Gallionsfigur dieser bürgerlichen Revolution, die die unabhängigen nationalen Rahmenbedingungen der kapitalistischen Entwicklung gegen alle imperialistischen Einflussnahmen (auch Russlands) erkämpfte und die erste Phase der kapitalistischen Akkumulation in China durchführte.

Im zweiten Teil (Chinas Weg zur kapitalistischen Großmacht und die Perspektive der proletarischen Revolution) werden wir auf die kapitalistische Modernisierung nach Maos Tod 1975 eingehen, die mit Deng Xiaopings Orientierung auf den Weltmarkt und damit verbundene Technologietransfers aus dem Westen begann. Entgegen allen Unkenrufen hartgesottener Maoisten hat es die „K“PChina als Kommandobrücke des chinesischen Kapitalismus vermocht, China aus dem Stadium der „Werkbank der Welt“ herauszubekommen und heute ganz oben im imperialistischen Wettkampf mitspielen zu lassen. Gleichzeitig arbeitet sie planmäßig an der Beseitigung der bäuerlichen Kleinproduktion, so dass zum ersten Mal in der Geschichte Chinas die Bauern nicht mehr die Mehrheit der Gesellschaft bilden. Damit schafft die „K“P Chinas – allerdings anders als sie es sich vorstellt – wirklich die Voraussetzungen des Kommunismus und der dazu notwendigen proletarischen Revolution.

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. (…) In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinne von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus.“ (MEW, S.9)

Mao Tse-tung und die bürgerliche Revolution in China

Asiatische Produktionsweise und Agrarfrage in China

Grundlage der vorrevolutionären chinesischen Gesellschaft war die kleinbetriebliche Landwirtschaft, die in einer Vielzahl weitgehend wirtschaftlich wie administrativ autarker Marktverbundsysteme organisiert war. Über 80 Prozent der Chinesen arbeiteten in der Landwirtschaft, etwa 10 Prozent in Handwerk und Hausindustrie, das Proletariat war verschwindend gering. Darüber erhob sich ein stark zentralisierter bürokratischer Staat, der den lokalen Rahmen sprengende ökonomische Aufgaben wahrnahm (z.B. Bewässerung) und den inneren politischen „Frieden“ garantierte. Seine ideologische Legitimation war der Konfuzianismus, seine materielle Basis die Agrarsteuer (Natural- und Geldform), die auf dem (handelbaren) Eigentum an Boden beruht. Zwischen Bauern und Beamtenschaft standen die lokalen Grundeigentümer, die Gentry, die von den Bauern Land abkauften und den Bauern Land verpachteten. Sie waren eng mit der Beamtenschaft verbunden (bzw. sogar aus ehemaligen Beamten entstanden, die ihr nicht selten durch Korruption vergrößertes Vermögen in Grundbesitz anlegten) und verwendeten ihre Einnahmen weitgehend parasitär.

Die lokale Selbstversorgung, mangelhafte Infrastruktur und geringe Massenkaufkraft hemmten eine Stadtentwicklung auf manufakturiell-industrieller Basis. Die ausbleibende Industrialisierung der Städte verhinderte die Kommerzialisierung der Landwirtschaft. Die geringe technische Basis der bäuerlichen Subsistenzproduktion (die auch durch das Prinzip der Erbteilung erhalten wurde, mit dem der Staat u.a. das Entstehen einer feudalen Grundherrenklasse verhindern wollte) verhinderte wiederum die Freisetzung von Arbeitskräften. Darüber hinaus hatte der Staat das Monopol in der Produktion und dem Handel von Eisen und Salz. Sie waren somit als Feld ökonomischer Aktivitäten auf dem Gebiet der Massenkonsumgüterherstellung für potentielle Investoren nicht zugänglich. Schwach entwickelte Manufakturen entstanden nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der Agrarproduktion der Bauernhaushalte.

Die Hauptaufgabe der bürgerlichen Revolution war die Lösung der Agrarfrage. Diese war in China bestimmt von der spezifischen Form der asiatischen Produktionsweise. Diese beruhte auf einem Tributsystem ohne feudale Abgabeverhältnisse im europäischen Sinne. Der Boden war frei verkäuflich. Die Pachtverhältnisse kamen nicht durch außerökonomischen Zwang zustande, sondern waren Resultat vorausgegangener Verelendung und Verschuldung der Bauern, die ihre Besitztitel veräußern mussten und so zu Pächtern wurden.

Schon Marx beschrieb im Kapital den Zusammenhang der Einheit von Agrikultur und ländlicher Hausindustrie für die Persistenz der traditionellen chinesischen Gesellschaft:

„Die Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapitalistischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produktionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf Gemeineigentum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzukommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war. (…) Soweit ihr Handel hier revolutionierend auf die Produktionsweise wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waren die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrierenden Teil dieser Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichtet und so das Gemeinwesen zerreißt. Selbst hier gelingt ihr dieses Auflösungswerk nur allmählich. Noch weniger in China, wo die unmittelbare politische Macht nicht zu Hilfe kommt. Die große Ökonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgeht, bieten hier hartnäckigen Widerstand den Produkten der großen Industrie...“ (MEW 25, S.346)

„Revolutionär wirkt der Wucher in allen vorkapitalistischen Produktionsweisen nur, indem er die Eigentumsformen zerstört und auflöst, auf deren fester Basis und beständiger Reproduktion in derselben Form die politische Gliederung ruht. Bei asiatischen Formen kann der Wucher lange fortdauern, ohne etwas andres als ökonomisches Verkommen und politische Verdorbenheit hervorzurufen. Erst wo und wenn die übrigen Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise vorhanden, erschient der Wucher als eines der Bildungsmittel der neuen Produktionsweise, durch Ruin der Feudalherren und der Kleinproduzenten einerseits, durch Zentralisation der Arbeitsbedingungen zu Kapital andrerseits.“ (ebenda, S.610f.)

Das chinesische System der asiatischen Produktionsweise verhinderte somit die für die Entwicklung notwendige Kapitalakkumulation auf gesamtwirtschaftlicher Ebene und musste gesprengt werden.

Auch der eindringende Imperialismus konnte die traditionelle Agrarstruktur nicht aufbrechen. Der Exportsektor hatte für die chinesische Wirtschaft kaum eine Bedeutung, ausländische Waren konnten generell keine marktbeherrschende Position erobern. Trotz aller imperialistischen Penetration stieg der chinesische Außenhandel insgesamt gering (von 1867 bis 1935 nur um das Dreifache). Schon Marx schrieb damals anlässlich des britisch-chinesischen Vertrages: „Bei der gegenwärtigen ökonomischen Struktur der chinesischen Gesellschaft, deren Angelpunkt die in kleinste Zellen zersplitterte Landwirtschaft und das Handwerk ist, kann von einer nennenswerten Einfuhr ausländischer Waren gar nicht die Rede sein.“ (MEW 12, S.569) Trotzdem hatte der ökonomische Einfluss des Imperialismus natürlich Auswirkungen. So adaptierten die als Mittelsmänner ausländischer Geschäftsleute wirkenden Kompradoren die westlichen Geschäftspraktiken und bauten Unternehmen in der Textil- und Lebensmittelindustrie auf. Die Industrialisierungsanfänge des Kerns der nationalen chinesischen Bourgeoisie änderten die Struktur der chinesischen Wirtschaft bis 1912 jedoch kaum. Allerdings verdrängten die v.a. britischen Exporte Spinnerei und Seidenproduktion als wichtige Zweige der Hausindustrie.

Nur die Japaner betrieben in der nach dem russisch-japanischen Krieg annektierten Mandschurei eine Industrialisierung mit Bergbau, Stahlindustrie und Fahrzeugproduktion sowie dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. Allerdings losgelöst vom Rest des Landes und nur auf die japanischen Bedürfnisse zugeschnitten mit eigenen Experten und den chinesischen Arbeiter_innen als Handlangern.

Der hohe Bevölkerungsdruck auf die Ackerfläche in China sorgte für eine permanente Instabilität. Seit Ende des 19. Jahrhunderts musste China in größerem Maße Getreide und andere agrarische Lebensmittel importieren. Der Druck der ausländischen Konkurrenz auf die hausindustrielle Nebentätigkeit der Bauern und die auch noch mit einem Rückgang der staatlichen Infrastrukturmaßnahmen einhergehende Verschärfung der Steuer- und Pachtbelastung führte zu einer starken Unzufriedenheit der Bauern und allgemein zu einer revolutionären Situation.

Allerdings schreckte der bürgerliche Revolutionär und Begründer der Koumintang Sun Yat Sen in der Revolution 1911/1912, die die Mandschu-Dynastie stürzte, vor einer Mobilisierung und Bewaffnung der Bauern zurück und warf sich stattdessen in die Arme reaktionärer Generäle wie Yuan Che-kai, der angeblich besser geeignet wäre, „das Land zu vereinigen, die Stabilität der Republik zu sichern, weil er das Vertrauen der ausländischen Mächte genießt“. Das Ergebnis der ersten Revolution war eine Zersplitterung Chinas unter verschiedene, mit divergierenden imperialistischen Mächten verbundene Militärmachthaber.

Lenin schrieb 1913 darüber folgende klare Einschätzung – wenn auch mit nicht mehr zeitgemäßer Pointe: „Die asiatischen Revolutionen haben uns die gleiche Charakterlosigkeit und Niedertracht des Liberalismus gezeigt, die gleiche außerordentliche Bedeutung der Selbständigkeit der demokratischen Massen, die gleiche deutliche Abgrenzung des Proletariats von jeglicher Bourgeoisie. Wer nach den Erfahrungen sowohl Europas als auch Asiens von einer nicht klassengebundenen Politik und einem nicht klassengebundenen Sozialismus spricht, der verdient einfach in einen Käfig gesperrt und neben irgendeinem australischen Känguruh zur Schau gestellt zu werden.“ (LW 18, S. 579)

Das marxistische Revolutionskonzept und der Formwechsel der Kommunistischen Internationale

Der wissenschaftliche Sozialismus, entstanden als Ausdruck des sich formierenden Proletariats in der Epoche der bürgerlichen Revolution, hat als weltweit gültiges Programm für die Gebiete des noch zu entwickelnden Kapitalismus das Konzept der doppelten Revolution ausgearbeitet: Die Unterstützung der bürgerlichen Revolution zur historisch notwendigen Entwicklung des Kapitalismus bei gleichzeitiger revolutionärer Formierung des Proletariats im Kampf für den Kommunismus. Marx und Engels hatten 1850 in ihrer „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund“ der Kommunisten die Feigheit der Bourgeoisie vor ihren eigenen revolutionären Aufgaben konstatiert und festgestellt: „Und die Rolle, die die deutsche liberale Bourgeoisie gegenüber dem Volke gespielt hat, diese so verräterische Rolle, wird in der bevorstehenden Revolution übernommen von den demokratischen Kleinbürgern.“ (MEW 7, S.246) Gerade deswegen haben Marx und Engels das Verhältnis der revolutionären Arbeiterpartei zur kleinbürgerlichen Demokratie folgendermaßen formuliert: „Sie gehen mit ihr zusammen gegen die Fraktion, deren Sturz sie bezwecken; sie tritt ihnen gegenüber in allem, wodurch sie sich für sich selbst festsetzen wollen.“ (ebenda) Dies setzt die politische und organisatorische Unabhängigkeit des Proletariats voraus, über die Marx und Engels schrieben: „Aber sie selbst [die Arbeiter] müssen das meiste zu ihrem endlichen Siege dadurch tun, dass sie sich über ihre Klasseninteressen aufklären, ihre selbständige Parteistellung sobald wie möglich einnehmen, sich durch die heuchlerischen Phrasen der demokratischen Kleinbürger keinen Augenblick an der unabhängigen Organisation der Partei des Proletariats irremachen lassen. Ihr Schlachtruf muss sein: Die Revolution in Permanenz.“ (ebenda, S.254)

Dieses eherne Gesetz des kommunistischen Programms, die politisch-organisatorische Unabhängigkeit des Proletariats, repräsentiert durch ihre Klassenpartei und ihr ununterbrochenes Eintreten für das kommunistische Ziel war auch Richtschnur von Lenins Handeln in Russland und der Internationale. Erst die stalinistische Konterrevolution ersetzte es durch ein Etappenmodell.

Die chinesische Revolution war das erste Feld, in dem das antiimperialistische Etappenmodell in der Kommunistischen Internationale durchgesetzt wurde. Es liquidierte endgültig den kommunistischen Charakter der 1921 gegründeten KP China, die schon 1923 weitgehend in der Koumintang aufgelöst worden war und führte mit den Massakern 1927 zu einer schweren Niederlage des Proletariats.

Von der Anfangszeit, der am 1. Juli 1921 von einer kleinen Gruppe Intellektueller gegründeten KP China, gibt Victor Serge 1927 in seinen Berichten über die Entwicklung der chinesischen Ereignisse an die französische Zeitschrift Clarté einen guten Eindruck: „Sie gewann zig Kämpfer in den Arbeitervierteln von Shanghai, Peking und Kanton. Ihr erster Parteitag fand 1921 in Shanghai statt. Im nächsten Jahr [letztendlich erst 1923] schloss sie sich – nicht ohne innere Auseinandersetzungen – der Koumintang an, um sich die kleinbürgerlichen, antiimperialistischen Massen zu erobern. Das auf ihrem 3. Parteitag (1923) verabschiedete Programm der Kommunistischen Partei Chinas ist im übrigen äußerst gemäßigt: Antiimperialismus, Demokratie, Sozialgesetzgebung für Arbeiter_innen, Agrarreform. Alles in allem schien diese Partei noch nichts anderes, als der linke Flügel der Koumintang zu sein. Auf ihrem 4. Parteitag 1925 repräsentierte sie etwa 1000 Mitglieder. Ihre Lage war noch äußerst schwierig. Sie unterstützte zwar die Arbeiterbewegung, konnte ihr aber nicht wirklich von Grund auf helfen: sie beeinflusste die [Koumintang-]Regierung [in Wuhan], war dieser aber verdächtig; sie gehörte zur Regierungspartei, stand aber immer mit einem Bein in der Illegalität. Dies waren sehr schlechte Entwicklungsbedingungen! Das Jahr 1925 war das Jahr des Aufschwungs der proletarischen Bewegung. Besonders in Shanghai kam es zu großartigen Streiks. […] Während die Gewerkschaften zwischen 1921 und 1925 auf 1,5 Millionen Mitglieder kamen, gehörten zur Kommunistischen Partei im November 1925 nur zwischen 13.000 und 15.000. (Zur Zeit ihres 5. Parteitages in Wuhan 1926 hatte die Kommunistische Partei 58.000 Mitglieder.)“ (Serge. Die Klassenkämpf in der chin. Rev. von 1927, Verl. Neue Kritik 1975, S.89f.) Von Anfang an war die Kommunistische Internationale über Instrukteure maßgeblich an der politischen Entwicklung der KP China beteiligt. Der z.B. auf dem Juni-Plenum des ZK der KP China 1926 vertretenen Position, als unabhängige Partei einen Block mit der Koumintang zu bilden, trat die Führung der Kommunistischen Internationale energisch entgegen. Schon auf dem 5.Weltkongress der KI 1924 hatte Manuilski angesichts der Tatsache, „dass im letzten Plenum des ZK der chinesischen Kommunistischen Partei an der Tätigkeit der Genossen, die sich an der Koumintang-Partei beteiligten, eine scharfe Kritik geübt wurde“ verkündet: „Ferner ersteht für uns nicht nur die Frage der revolutionären Zusammenarbeit mit solchen schon bestehenden Parteien, sondern auch die Frage, ob die Kommunisten in Ländern mit einer niedrigen Wirtschaftsstruktur nicht die Initiative zur Bildung solcher Parteien ergreifen müssen.“ (Protokoll S.624)

Stalin erklärte 1927 sogar die Koumintang zum „Typus für den Aufbau einer revolutionären Volkspartei, die sich auf den revolutionären Block der Arbeiter und der Kleinbourgeoisie in Stadt und Land stützen muss.“ (Besprechung mit Studenten der Sun-Yat-Sen-Universität 1927). In seiner Begeisterung für die „antiimperialistische Koumintang“, die sogar vor einer konsequenten Bekämpfung Tschiang Kai-schecks – des Arbeiter- und Kommunistenmörders von Shanghai – zurückschreckte, lehrte Stalin die chinesischen Kommunisten: „Jetzt zur Schaffung von Sowjets der Arbeiter- und Bauerndeputierten in diesem Gebiet aufzurufen – das bedeutet zum Aufstand gegen die Macht der revolutionären Koumintang aufrufen. Wäre das zweckmäßig? Es ist klar, dass das nicht zweckmäßig wäre. Es ist klar: Wer jetzt zur Bildung von Sowjets der Arbeiterdeputierten in diesem Gebiet aufruft, der versucht die Koumintangphase der chinesischen Revolution zu überspringen.“ (Zu Fragen der chinesischen Revolution 1927)

Das stalinistische Konzept der chinesischen Revolution sah also so aus: China durchlebt seine nationale Revolution, die gegen den Imperialismus und die feudalen Militaristen gerichtet ist. An dieser Revolution nehmen alle Klassen teil, darunter auch die nationale Bourgeoisie, die guten Gentry und die Landbesitzer. Daher muss man den Klassenfrieden zur Sicherung der Revolution beibehalten. In welche Schwierigkeiten die Kommunistische Partei Chinas angesichts zunehmender Arbeiterkämpfe und Streiks (die in Hankau und Shanghai zu Aufständen führen sollten) mit ihrer Linie der „antiimperialistischen Einheit“ kam, zeigte beispielhaft der Bericht des ZK der KP China auf dem Dezember-Plenum 1926: „Es ist ungewöhnlich schwierig für uns, unsere Taktik in Bezug auf die mittlere und kleine Bourgeoisie zu bestimmen, da die Streiks der nichtindustriellen Arbeiter und Angestellten lediglich Konflikte in der Kleinbourgeoisie selbst sind. Die eine oder die andere Seite (d.h. die Unternehmer und die Arbeiter) sind in der nationalen Einheitsfront notwendig, wir können keine der beiden Seiten unterstützen, können aber auch nicht neutral sein... Die Angestellten in Unternehmungen, welche Artikel des Lebensbedarfs herstellen (Reis, Kohle, Heizmaterial usw.) dürfen niemals zu Streiks greifen, wenn die geringste Möglichkeit besteht, Zugeständnisse auf friedlichem Wege zu erreichen.“ (zitiert nach einer 1928 von oppositionellen Kommunisten in Berlin herausgegebenen Broschüre „Wie die chinesische Revolution zugrunde gerichtet wurde. Brief aus Shanghai an das Exekutiv-Komitee der KI von Stalin unterschlagen“)

Der totale Bankrott der KP China zeigte sich nach dem Vormarsch der sog. „rechten“ Koumintang unter Tschiang Kai-scheck Anfang 1927 auf Shanghai, wo es zu einem proletarischen Aufstand gekommen war. Anfänglich als „Befreier“ von den „Militaristen“ begrüßt, entfesselte er ein beispielloses Massaker an den Arbeitern. Kurz danach kam es auch zum Bruch der in Wuhan regierenden „linken“ Koumintang mit den Kommunisten, der ebenfalls in einem Massaker endete.

Folgende zeitgenössische Pressemeldungen – zitiert nach Victor Serge – illustrieren die Verbrechen.

„Über die Situation in Wuhan meldet der auf seinem Posten verbliebene Prawda-Korrespondent A. Iwin folgende Einzelheiten: Alle Arbeiterorganisationen sind aufgelöst. In den Buchhandlungen und Bibliotheken werden die des Kommunismus verdächtigen Bücher vernichtet.[...] Der North China Courrier schreibt: In Wuchang werden die Kommunisten in Massen verhaftet und hingerichtet. Zahlreiche Studenten und selbst Kaufleute sind unter den Verhafteten. Sie werden sofort enthauptet oder erschossen. Säuberungskommissionen der Koumintang arbeiten überall. […] Die Arbeiter- und Bauernorganisationen in Hunan sind vollständig vernichtet. Die Führer, die nicht fliehen konnten, wurden getötet, lebendig begraben, in brennendem Öl verbrannt oder verstümmelt. (Joui Fou-San, China Weekly Review).“ Serge berichtete ebenfalls: „In Shanghai wütet der weiße Terror so sehr, dass Tschian Kai-scheck selbst in den Augen seiner politischen Freunde diskreditiert wird. Am Tag vor der Einreichung seiner Demission (13. August) bedauerte Tschiang Kai-scheck in seinem offiziellen Organ Ho min die große Zahl der summarischen Exekutionen seiner Generäle, die, so meinte er wörtlich ‘sich offenbar über den Ernst der Todesstrafe nicht im Klaren waren.’“ (Serge, 1975, S.85f.)

Es war eine Selbstaufgabe der KP China, die sich der Koumintang untergeordnet, ihre Mitglieder preisgegeben und die Arbeiter buchstäblich entwaffnet hatte. Trotz dieses Massakers an der Arbeiterklasse sollte die zynische Machtpolitik der inzwischen zur Bauernpartei gewandelten „K“PChina sie im antifaschistischen Krieg gegen Japan ein Jahrzehnt später wieder an die Seite der Koumintang führen.

In der Frage der chinesischen Revolution zeigten sich fatal die Folgen der Unterordnung der Kommunistischen Internationale unter die außenpolitischen Interessen der Sowjetunion, für deren Umkehrung die Kommunistische Linke eingetreten war, solange sie noch in der Internationale auftrat (bekanntermaßen forderte Bordiga die Regierung der Sowjetunion durch die Kommunistische Internationale). So gab es nicht nur eine taktische politische Orientierung der Koumintang an der Sowjetunion, die sich darüber hinaus noch als „demokratisch-zentralistisch“ organisierte führende Partei verstand (mit Fraktions- und Kritikverbot an den Sun-Yat-Sen-Ideen!), was den chinesischen Kommunisten bei ihrem Eintritt nur die Möglichkeit der individuellen Unterordnung ließ. 1925 war in Moskau in Zusammenarbeit mit der Koumintang die Sun Yat Sen-Universität gegründet worden. Darüber hinaus wurden die militärischen Verbände der Koumintang durch die Rote Armee ausgebildet. Nachdem diese 1927 ihren wahren Klassencharakter im Massaker an der Arbeiterklasse bewiesen hatten, zeigte sich der prinzipienlose machtpolitische Opportunismus des Stalinismus in seiner perfidesten Form. Im Dezember trieben seine Militärberater die geschwächte Kommunistische Partei in Kanton in einen Aufstand, um den eigenen Verrat zu kaschieren und von einem „heldenhaften Rückzugsgefecht“ des Proletariats schwadronieren zu können. Dass der blutig gescheiterte Aufstandsversuch ohne jegliche Unterstützung der Arbeiterbewegung vonstatten ging, gab die Kommunistische Internationale in ihrer 1928 erschienen Publikation „Der bewaffnete Aufstand“ selbst zu: „Der Kantoner Aufstand wurde nicht von mächtigen Massenaktionen des Proletariats und der revolutionären Bauernschaft in den anderen Gebieten Chinas unterstützt. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei war von dem Beschluss der Kwantunger Provinzialleitung, in Kanton am 11. Dezember loszuschlagen, nicht rechtzeitig informiert worden. (..) Den Aufständischen gelang es nicht, den Generalstreik vorzubereiten und durchzuführen. Die Eisenbahner und Seeleute arbeiteten weiter und wurden von der Konterrevolution zu ihren Zwecken (Truppentransporte und Abtransport von Flüchtlingen aus Kanton usw.) benützt.“ (Reprint, EVA 1971, S.121) Mit diesem putschistischen Epilog schloss die KP China das erste Kapitel ihres opportunistischen Verrats und konstruierte auf ihrem 6. Parteitag ein „Rückzugsgefecht des chinesischen Proletariats in der hinter uns liegenden Periode der chinesischen Revolution.“ (ebenda, S. 123)

Die neue Periode der chinesischen Revolution sollte von Mao Tse-tung geprägt werden, der ganz auf die aufständischen Bauern und ihre militärisch zu organisierende Kraft setzte. Auch wenn er im November 1927 wegen seiner Bauernpolitik noch aus dem Politbüro der KP China ausgeschlossen worden war, setzte sich seine Linie der Bauernrevolution als praktischer Ausdruck des antiimperialistischen Etappenmodells durch. Mao selbst schrieb 1928 in seinem Bericht über den Kampf im Djinggang-Gebirge: „Wir sind mit der Resolution der Kommunistischen Internationale über die chinesische Frage voll und ganz einverstanden. Gegenwärtig durchlebt China tatsächlich noch das Stadium der bürgerlich-demokratischen Revolution. Das Programm der konsequenten demokratischen Revolution in China schließt ein: auf außenpolitischem Gebiet – Sturz des Imperialismus und damit vollständige nationale Befreiung; auf innenpolitischem Gebiet – Liquidierung der Macht der Kompradorenklasse in der Stadt, Vollendung der Agrarrevolution zur Vernichtung der Feudalverhältnisse im Dorf und Sturz der Regierung der Militärmachthaber. Nur durch eine solche demokratische Revolution kann die wahre Grundlage des Sozialismus geschaffen werden. (…) Doch der Weg zum stürmischen Aufschwung der Revolution im ganzen Land verläuft unbedingt über die Entfaltung des politischen und ökonomischen Kampfes für die Demokratie unter Einbeziehung des städtischen Kleinbürgertums in diesen Kampf.“ (Ausgewählte Werke I, S.109f.) Zehn Jahre später, nach dem legendären langen Marsch der chinesischen Roten Armee, erklärte Mao: „Wir sind Verfechter der Theorie des Hinüberwachsens der Revolution, wir sind keine Anhänger der trotzkistischen Theorie der ‘permanenten Revolution’. Wir sind der Meinung, dass wir zum Sozialismus gelangen werden, nachdem alle notwendigen Entwicklungsstufen der demokratischen Republik durchlaufen sind.“ (ebenda, S.342)

In diesem Durcheinanderwürfeln demokratischer und sozialistischer Terminologie mit dem Ziel, die „demokratische Republik“ quasi als nationalen Vorhof des Sozialismus zu errichten, wird der Widerspruch der maoistischen Theorie zur oben dargestellten Position des Marxismus deutlich, für den immer die Formierung des Proletariats als eigenständige politische Kraft mit internationaler Perspektive im Mittelpunkt stand und steht. Die Revolution des Proletariats ist eben nur aus der Perspektive der Weltrevolution zu bewerkstelligen, erst recht in den kapitalistisch unterentwickelten Ländern (es gibt keinen „nationalen“ Sozialismus!). Natürlich muss das Proletariat, wenn es die Möglichkeit der politischen Machteroberung hat, diese auch in rückständigen Ländern nutzen, deren ökonomisches Potential noch nicht über das kapitalistische Entwicklungsniveau hinausreicht (wie in Russland 1917). Es muss mit seiner (Welt-)Partei die Macht ergreifen und auf die revolutionär durchgesetzte Unterstützung der fortgeschrittenen Länder hoffen. Bei Ausbleiben der Weltrevolution bleibt nur die Verteidigung und Stärkung der Klassenposition des Proletariats für den erneuten Anlauf unter dann verbesserten Bedingungen.

Unabhängig von den theoretischen Bocksprüngen der diversen Trotzkisten in der Einschätzung Chinas (z.B. die famose Theorie des „degenerierten Arbeiterstaates“, dessen sozialistische Basis angeblich durch eine nur politische Revolution ergänzt werden müsste), lohnt es sich anzusehen, wie Trotzki selbst 1927 die Frage der chinesischen Revolution prägnant auf den Punkt brachte: „Wir müssen ganz klar begreifen, dass die chinesische Bourgeoisie immer noch versucht, sich mit der Autorität der russischen Revolution zu decken, und dass sie vor allem von den Formen der künftigen Diktatur des chinesischen Proletariats plagiiert, um ihre eigene Diktatur gegen das Proletariat zu stärken. Aus diesem Grund ist es heute äußert wichtig, keinerlei Verwirrung über das Stadium aufkommen zu lassen, das die chinesische Revolution augenblicklich durchschreitet. Es handelt sich dabei nicht um die sozialistische, sondern um die bürgerlich-demokratische Revolution. Und in ihr geht es um den Kampf zwischen zwei Methoden: bürgerlich-versöhnlerisch oder für die Arbeiter und Bauern. Heute kann man über die Weise und die Voraussetzungen, in denen sich die national-bürgerliche Revolution zur sozialistischen erheben kann, nur Spekulationen anstellen, ob das mit oder ohne Unterbrechungen geschehen wird und ob diese Unterbrechung lang oder kurz andauern wird. Der künftige Lauf der Ereignisse wird die notwendige Klarheit schaffen.“ (Trotzki im April 1927 über die Klassenverhältnisse der chinesischen Revolution, zitiert nach Wolter: Die linke Opposition, Band 5, S. 36) Und der von uns dargestellte Lauf der Ereignisse schuf Klarheit. Mit der stalinistischen Liquidierung der Kommunistischen Internationale verlor die KP China jegliche Orientierung auf die Weltrevolution und wurde zum Vollstrecker der nationalen bürgerlichen Revolution und der Entwicklung des Kapitalismus. Damit übernahm sie die für die Perspektive der proletarischen Revolution konterrevolutionäre Rolle der Koumintang, vor der schon 1922 der IV. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (als sie noch nicht degeneriert war) in seinen Leitsätzen zur Orientfrage gewarnt hatte: „Häufig kommt es vor (…), dass die Vertreter des bürgerlichen Nationalismus unter moralischer Ausnutzung der politischen Autorität Sowjetrusslands und in Anpassung an den Klasseninstinkt der Arbeiter ihre bürgerlich-demokratischen Bestrebungen in eine „sozialistische“ und „kommunistische“ Form kleiden, um auf diese Weise, zuweilen ohne sich selbst dessen bewusst zu sein, die ersten aufkeimenden proletarischen Vereinigungen von den unmittelbaren Aufgaben einer Klassenorganisation abzulenken (so die Partei Eschil-Ordu, die den Pantürkismus in der Türkei kommunistisch verbrämt hat, so der „Staatssozialismus“, der von einigen Vertretern der Partei „Kuo-Min-Tang“ in China gepredigt wird).“ (Protokoll S.1038)

Mit seinem antiimperialistischen Etappenmodell hat der Stalinismus, der in Russland Produkt der Konterrevolution und Ausdruck des Formwechsels der Bolschewiki zu Vollstreckern der kapitalistischen Modernisierung war, auch in China die „Kommunistische“ Partei zu Vollstreckern der bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung gemacht. Soziale Emanzipation wurde durch nationale Emanzipation ersetzt und ins geopolitische Machtgefüge imperialistischer Interessen integriert.

Das stalinistische und das maoistische Entwicklungsmodell

Das Industrialisierungsmodell in der Sowjetunion, dessen industrielles Ausgangsniveau 1928 noch wesentlich höher war als 1952 in China, konzentrierte sich auf die Schwerindustrie. Sie wurde in ihrer Anfangsphase vornehmlich auf Kosten der Landwirtschaft vorangetrieben, indem Überschüsse des privaten oder genossenschaftlichen Agrarsektors über Steuern, Preise oder Requirierungen in den staatlichen Sektor transferiert wurden und dort zu Investitionen im Bereich der Schwerindustrie dienten. Im Gegensatz zum klassischen kapitalistischen Entwicklungsmodell, das anfänglich von der Nachfrageseite Dynamik gewinnt, also folgerichtig mit der Leichtindustrie (Textilindustrie) beginnt.

Nach der Gründung der chinesischen Volksrepublik 1949 wurde im Jahr 1950 ein Wirtschaftsabkommen mit Russland geschlossen, das u.a. die sowjetische Hilfe bei 50 industriellen Großprojekten vorsah und in erster Linie die Wiederherstellung der zerstörten und von Russland demontierten ehemaligen Industrieanlagen der Japaner in der Mandschurei anstrebte. Während China durch Agrarexporte mittels Intensivierung der traditionellen Landwirtschaft (mangels fehlender Mittel für Mechanisierung und Chemisierung) finanzielle Mittel für diese russische Industrialisierung generieren musste (eine Industrialisierung die auch vor dem Hintergrund des Koreakrieges von Russland forciert wurde), konzentrierten sich die „eigenen“ chinesischen Projekte auf die Roh- und Hilfsstoffproduktion. Die Konditionen der diversen meist kurzfristigen russischen Kredite sahen vor, dass sie in Warenlieferungen, Gold oder US-Dollars zurückzuzahlen seien. Ab 1955 begann die Rückzahlung dieser Kredite und übertraf ab 1956 das Ausmaß weiterer sowjetischer Kreditleistungen. Der bis dahin bestehende chinesische Importüberschuss gegenüber Russland, der bis 1955 durch Kredite bezahlt werden konnte, musste in einen Exportüberschuss verwandelt werden, um über die Abzahlung der Kredite weitere Importe abdecken zu können.

Dadurch kam Maos Position der Abkehr vom sowjetischen Weg und der Übertragung des auf Mikroebene während des „langen Marsches“ erprobten Yenan-Modells auf die gesamte chinesische Wirtschaft zum Durchbruch. Dieses Modell der intensiven Nutzung isolierter Ressourcen v.a. durch Mobilisierungen und arbeitsorganisatorische Neuerungen war allerdings auch durch eine gemäßigte Agrarpolitik gegenüber den Landlords (lokalen Grundeigentümern) und Großbauern, sofern sie sich an der Intensivierung der Produktion für den antijapanischen nationalen Krieg beteiligten, gekennzeichnet (Reduzierung der Pacht statt Enteignung und Kollektivierung).

Die Besinnung auf die „eigene Kraft“ (auch die Weigerung dem RGW beizutreten) war schlicht den Zahlungsbilanzproblemen gegenüber der SU geschuldet. Die Agrarkrise von 1959 bis 1961 im Zuge des Großen Sprungs brachte den Finanzierungsmechanismus des sowjetisch-chinesischen Handels endgültig zum Einsturz. Ab 1961 waren sogar wieder Getreideimporte notwendig.

Mit der schrittweisen Abkehr von der Sowjetunion übernahm Mao Tse-tung das klassische kapitalistische Entwicklungsmodell. Schon 1957 begann er den Bruch mit Russland: „Von der Sowjetunion zu lernen heißt nicht, alles mechanisch zu kopieren, das wäre die Handlungsweise des Dogmatismus.“ In der gleichen Rede auf der erweiterten 3. Plenartagung des VII. ZK der KP China stellte Mao fest: „Früher haben wir immer gesagt, wir wollen unser Land zu einem Industriestaat aufbauen, in der Tat schließt dies die Modernisierung der Landwirtschaft ein. Jetzt müssen wir den Schwerpunkt auf die Landwirtschaft legen.“ Und er orientierte schon auf seine Politik des „Großen Sprungs“: „Können wir nicht die Umwege der Sowjetunion vermeiden und es schneller und besser machen als sie? (…) Wir können es, wenn wir uns Mühe geben. Zu diesem Zweck müssen wir mehr kleine Stahlwerke bauen.“ (Ausgewählte Werke 5, S.556f.)

Schon 1949 war als Ziel der Agrarreform festgelegt worden: „Die Agrarreform ist eine notwendige Voraussetzung für die Ausdehnung der Produktivkraft und die nationale Industrialisierung.“ Dementsprechend wurden z.B. Angehörige der Gentry, die im industriellen Bereich tätig waren, nicht enteignet. Da die Agrarreform der Umverteilung von Grundbesitz an landlose und landarme Bauern allerdings keine wesentliche Steigerung der Erträge gebracht hatte – wenn auch die Überschüsse jetzt nicht mehr von den Gentry parasitär vernutzt sondern der produktiven Verwendung durch den neuen Staat zugeführt werden konnten – sollte mit verschiedenen Kollektivierungsformen eine Outputsteigerung erreicht werden. Ein Ziel war die Mobilisierung saisonal oder ganzjährig nicht genutzter Arbeitskräfte, die in größeren kollektiven Einheiten effektiver eingesetzt werden konnten. Nur so waren Arbeiten zur Be- und Entwässerung, Terrassenbau, Aufforstung und Infrastrukturbauten in größerem Ausmaß möglich, die wiederum zur Steigerung der Agrarproduktivität beitragen konnten.

Nachdem 1959 der „Große Sprung“ der dezentralen Kleinstindustrialisierung begonnen hatte, brachte Mao den Kurswechsel auch theoretisch auf den Punkt : „Die Reihenfolge, die wir in der Vergangenheit der Wirtschaftsplanung zugrunde gelegt hatten, war Schwerindustrie, Leichtindustrie, Landwirtschaft; in Zukunft muss sie, fürchte ich, auf den Kopf gestellt werden. Hat sie jetzt nicht Landwirtschaft, Leichtindustrie, Schwerindustrie zu lauten?“

Die Idee der kleinindustriellen und dezentralen Agroindustrialisierung, der auch der sog. „Große Sprung nach vorn“ entsprang, endete allerdings in einem Desaster, führte zu Hungersnöten und Unruhen, die die „Volksrepublik“ an den Rand des Abgrunds und Mao ins politische Abseits brachte. Als Reaktion wurden durch die KP China die voluntaristischen Mobilisierungen durch marktwirtschaftliche Anreize ersetzt. Auf dem 10. ZK-Plenum im September 1962 verkündete die KP China die Losung der „Drei Freiheiten und eine Festlegung“. Mit den drei Freiheiten waren die Einräumung privat zu bewirtschaftenden Bodens, lokaler Märkte und privater handwerklicher Nebenbeschäftigungen und die Festlegung der abzuliefernden Produktionsquoten auf Familienbasis gemeint. Die Rolle Rückwärts in der Landwirtschaft ging einher mit einer Würdigung „der positiven Rolle des Wertgesetzes bei der Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft“ und führte auch in der Industrie zu mehr Selbständigkeit der Betriebe, finanziellen Planzielen zur Kostensenkung, Lohndifferenzen, Prämiensystemen und Etablierung von Saisonarbeit.

Als sich dadurch die Verhältnisse stabilisiert hatten, ging Mao im innerparteilichen Machtkampf wieder in die Offensive und mobilisierte die Roten Garden gegen die Parteiführung. Dass es bei dieser „Kulturrevolution“ um keinen Klassenkampf, sondern nur um einen politischen Machtkampf ging, zeigte die Haltung der Maoisten gegenüber der Arbeiterklasse. Wir schrieben dazu: „Als tausende unruhiger Arbeiter aus Shanghai die Arbeitsplätze verlassen, um nach Peking zu fahren, gelang es erst Zhang Chun-qiao, dem dortigen wichtigsten Mann Maos, in langwierigen Verhandlungen, einen Massenexodus mit seinen katastrophalen Folgen für die immer noch geschwächte Wirtschaft zu vermeiden. Selbst der „linke“ Chen Bo-da, damaliger Intimus Maos, schickt ein Telegramm an die Leitung der rebellierenden Arbeiter: „Ich kann Eure Begeisterung verstehen, nach Peking zu kommen. Es ist gut, wenn ihr an der Kulturrevolution teilnehmt. Aber ihr müsst auch den Anordnungen des Vorsitzenden Mao und des ZK Folge leisten. In dieser Angelegenheit sind zwei Prinzipien im Spiel, und das sekundäre muss sich dem primären unterordnen. Als Arbeiter ist eure Hauptaufgabe zu arbeiten. Die Teilnahme an der Revolution ist lediglich zweitrangig. Deshalb müsst ihr an den Arbeitsplatz zurückkehren. (Shanghaier Wandzeitung vom 13.11.1966)“ (Kommunistisches Programm Nr. 17, S.23)

Als es in dieser radikal aufgeheizten Atmosphäre im Januar 1967 doch zu heftigen Arbeiteraufständen in den wichtigsten Städten, vor allem in Shanghai, kam, die die ersten großen Aufstände seit den Kämpfen von 1925/27 darstellten, erklärte die maoistische Bourgeoisie die „Revolution“ sofort für beendet und setzte das Militär zur Niederschlagung ein, was tausende Tote forderte. (ebenda, S.33)

Die Kontroversen in der KP China drehten sich in dieser Zeit immer um die Frage der ideologischen Mobilisierung der Massen (zu ihrer eigenen intensiveren Ausbeutung) und die dem scheinbar entgegenstehende Zusammenarbeit mit der nationalen Bourgeoisie und den reichen Bauen zur Industrialisierung und Mechanisierung bzw. die Anwendung kapitalistischer Methoden. In der Notwendigkeit der Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Entwicklung des Akkumulationsregimes waren und sind sich alle Fraktionen der KP China einig.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.