WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

Überall auf der Welt herrschen Chaos und Unordnung: Selbst die bürgerlichen „Meinungsbildner“ und „Experten“ stellen das besorgt fest. Inmitten von Höhen und Tiefen, Offensiven und Rückzügen verschärft sich der Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China, den beiden führenden Wirtschaftsmächten, die seit einiger Zeit deutliche Anzeichen von Schwäche zeigen. Mittlerweile ist zwischen Indien und Pakistan eine schwere Kontroverse um Kaschmir ausgebrochen, und der Ferne Osten befindet sich in zunehmendem Aufruhr. Von nicht untergeordneter Bedeutung sind die Ereignisse in Hongkong, da sie China betreffen. Den ehemaligen Tigerstaaten geht es sicherlich auch nicht gut. Und es vergeht kein Tag, an dem sich Japan und Südkorea nicht zanken – wirtschaftlich gemeint. Außerdem ist der Mittlere Osten mit den halbvergessenen Kriegen in Syrien und im Jemen, den erneuten Spannungen um die Straße von Hormus und der immer noch offenen „Palästina-Frage“ (die im Rahmen des Imperialismus nicht zu lösen ist und viel proletarisches Blut kostet) ein Pulverfass, das nicht viel braucht, bis der Funke die gesamte Region explodieren lässt.

Auf der anderen Seite, entlang der südlichen Mittelmeerküste, schwelt die Glut in Algerien sowie in Marokko, während in Libyen das Massaker nicht endet, könnten sich in Tunesien wie in Ägypten und der Türkei unvorhersehbare Brände unkontrollierbar ausbreiten; der ganze Subsahara-Gürtel ist eine regelrecht gemarterte Region verzweifelter Menschen, die vor extremen wirtschaftlichen, sozialen, militärischen und medizinischen Bedingungen fliehen; und ganz Afrika ist Opfer des imperialistischen Appetits der (zumindest vorerst) wiederholt zu Stellvertreterkriegen führt. Lateinamerika (insbesondere Brasilien, Venezuela und Argentinien, aber auch Peru und Chile) und Mittelamerika sind Tag für Tag einen Schritt vom Zusammenbruch entfernt, und die Leidtragenden sind die hunderttausenden Proletarier oder Halbproletarier, von denen sich viele auf dramatische Weise vor den südlichen Toren der Vereinigten Staaten drängen. Und schließlich in Europa, inmitten von Angst und Unmut, vorherrschender Phrasendrescherei und tiefen Spaltungen, steht heute Großbritannien kurz vor dem Brexit, Deutschland (einst Lokomotive des Kontinents) befindet sich in einer offenkundigen und erklärten Rezession, in Frankreich hat die chaotische, klassenübergreifende Bewegung der Gelbwesten ein tiefes soziales Unbehagen (das zu den längst vorhandenen Problemen in den schon immer leidgeprüften Banlieues hinzu kommt) an die Oberfläche gebracht – ein Unbehagen, das auch in den Ländern des Ostens (Russland an der Spitze) zu spüren ist und zur Wiederbelebung eines virulenten Nationalismus führt, mit all den ideologischen und politischen Folgen, die wir gut kennen. Wir könnten sicherlich die Aufzählung fortsetzen und zudem könnte die Zeit, die zwischen der Abfassung dieses Artikels (Mitte August 2019) und seiner Veröffentlichung vergehen wird, weitere „Überraschungen“ vorhalten.

Im Hinblick auf Italien, das sich ebenfalls in einer Rezession befindet, kann uns das x-te, miserable regierungsparlamentarische Affentheater nur dazu dienen, um einige unserer Argumente zu bekräftigen. Die aus dem zweiten Weltkriegsmassaker als Sieger hervorgegangenen Demokratien haben vom Faschismus nicht nur die ökonomische-soziale-politische Substanz geerbt (staatlichen Interventionismus, protektionistische Maßnahmen, Finanzialisierung der Wirtschaft, klassenübergreifenden Reformismus, Einverleibung der Gewerkschaften in den Staatsapparat, plumpe Verherrlichung von Vaterland und Nation), sondern auch – wenngleich in einer trügerischen demokratischen Verhüllung – die diktatorischen Methoden, die sich im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte allmählich immer deutlicher manifestiert haben (starke Exekutive, Beschlussfassung durch Dekrete, Reorganisation und Zentralisierung der Repressionsapparate, offen antiproletarische Maßnahmen, Einsatz von Gewalt und Terrorismus gegen die Arbeiter_innenbewegung oder die Avantgarden der Kämpfe usw.). All das – was wir bereits unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg bewiesen haben – wollen die „Schöngeister“ nicht wahrhaben; stattdessen wiegen sie sich noch immer in der rosafarbenen Illusion von Demokratie und Verfassung. Dabei schreiben sie die kontinuierlichen harten Maßnahmen nur dem „jeweiligen amtierenden Bösewicht“ zu (absteigend nach deren Kaliber: Andreotti, Berlusconi, Salvini, ... Oder: den „fehlgeleiteten Geheimdiensten“ oder vielleicht einigen „Teilen des Staates“, Ausdruck des gescheiterten ideologischen Arsenals der „aufrichtigen Demokraten“, mehr oder weniger Stalinisten oder Ex-Stalinisten oder „desillusionierte Reformisten“ oder „verlorene Seelen der Linken“!).

Angesichts des herrschenden Chaos und der Unordnung (sogar innerhalb der Staaten: Der „Fall Brexit“ ist das passendste Beispiel dafür. Hier herrscht in der Tat ein Kampf zwischen bürgerlichen Fraktionen, der sich letztendlich auf die Mittelschichten und die geschützten Schichten des Proletariats auswirkt) ist heute klar, dass die herrschenden Klassen auf der ganzen Welt bemüht sind, sich eine solidere Struktur zu geben. Sie strengen sich dabei an, finden aber kein „Rezept“, um aus einer Krise herauszukommen, die im Moment nur eine ökonomische ist, sich aber plötzlich (Horrorvision!) zu einer sozialen Krise mit den entsprechenden politischen Auswirkungen weiterentwickeln könnte; und folglich bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die über die Gesellschaft und vor allem das Proletariat herrschenden Polizeistrukturen weiter auszubauen: sowohl auf legislativer und militärischer Ebene (Verschärfung der Notstandsgesetze und der Sicherheitsmaßnahmen, weitreichende Überwachung, Verschärfung der Strafen bei Straftaten gegen die öffentliche Ordnung usw.) als auch auf ideologischer Ebene (Anstiftung zum offenem Rassismus, plumper Souveränismus und Patriotismus, Mobilisierung der zerlumpten Mittelschichten usw.).

Für diejenigen, die es verstehen, die tiefer liegenden Symptome der Oberflächenphänomene zu sehen und zu betrachten, ist klar, dass es sich hier um eine Krise der kapitalistischen Produktionsweise handelt, eine neue und ernstere Phase jenes Zyklus, der Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts begann und wie alle Krisen der kapitalistischen Produktionsweise durch die Überproduktion von Waren und Kapital gekennzeichnet ist: Der Mechanismus der Akkumulation und Selbstverwertung ist ins Stocken geraten, er kann nicht mehr mit der notwendigen Geschwindigkeit und Intensität rotieren, der Markt ist gesättigt, der Vulkan der Produktion hat den Sumpf erzeugt. Das Kapital ist weder in der Lage, diesen Zustand zu stoppen, noch Trostpflaster zu spenden: Die wahre Schranke des Kapitals ist das Kapital selbst. Es kann die Barrieren des Protektionismus so weit erhöhen, wie es will, zu mehr Investitionen und Innovationen aufrufen, seiltänzerisch über regionale Autonomien theoretisieren, abgedroschene neu lackierte und angepasste ideologische Rezepte des „Souveränismus-Populismus“ ausgraben... Aber das wird nicht ausreichen, auch weil die herrschende Klasse in ihrem Inneren, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene durch unterschiedliche Interessen und Perspektiven gespalten ist; wohingegen Einigkeit nur einem alten Feind gegenüber besteht, dem Proletariat. Und während so auf der einen Seite die Repression zunimmt und auf der anderen Seite das hilflose (und komplizenhafte) Gejammer der „Schöngeister“ akut zu vernehmen ist, häuft sich immer mehr explosiver Stoff an, der zu einem neuen weltweiten Konflikt führen wird.

Was wird genau aus unserer Klasse angesichts dieser Aussichten?

Die Proletarier der ganzen Welt zahlen mit ihren Tränen und ihrem Blut für Jahrzehnte des Verrats und bitterer Niederlagen und für die verheerenden Folgen des Opportunismus in all seinen Varianten. Die monströse und miese Täuschung des „real existierenden Sozialismus“ und somit sein anderes Gesicht, die idiotische Mär vom „Zusammenbruch des Kommunismus“ haben deren Avantgarde programmatisch und physisch zerstört und damit die internationale Arbeiter_innenbewegung desorientiert, verwirrt und sich selbst überlassen. So auf sich allein gestellt und ohne Führung hat sie jedoch nie aufgehört zu kämpfen, um sich gegen die Folgen der kapitalistischen Ausbeutung zu verteidigen. Parteien und Gewerkschaften im Dienste der Nation und ihrer übergeordneten Interessen haben die Arbeiter_innenbewegung vereinnahmt und kastriert: Lange und mutige Kämpfe wurden durch die eiserne Faust der bürgerlichen Macht und die heuchlerischen Täuschungen von Parteien und von den mal kämpferischen, mal regierungsfreundlichen Gewerkschaften zerschlagen (nicht zu vergessen die weit verbreiteten Arbeiter_innenunruhen der 1960er Jahre, die Krise der US-Fluglotsen, der britischen und polnischen Bergleute, der Arbeiter_innen von FIAT, nur um uns auf die bekanntesten Beispiele zu beschränken: Aber was ist mit den Kämpfen der lateinamerikanischen, südafrikanischen, südkoreanischen, indischen und chinesischen Proletarier, von denen nur eine schwache Resonanz das Herz des weltweiten Imperialismus, d.h. den euroamerikanischen Raum erreicht haben?) Die Schwächen und Unklarheiten der Basisgewerkschaften, die aus der richtigen Reaktion auf die Regime-Gewerkschaften entstanden sind, jedoch bald selbst mit ihren fortschrittlichsten Organisationen in eine korporatistische Dynamik geraten sind oder ihre eigene Rolle (Partei-Gewerkschaft, eine Klassengewerkschaft, die am „Runden Tisch“ konstruiert werden kann) in irreführender Weise missverstanden haben, haben in nicht geringem Maße dazu beigetragen, die ersten instinktiven proletarischen Reaktionen zu schwächen.

Unter dem Druck des Kapitals und seiner strukturellen Krise hat unsere Klasse nicht aufgehört, Transformationen und Mutationen zu durchlaufen, die tiefgreifende und in dieser ersten Phase sogar destabilisierende Auswirkungen haben konnten. Auf der einen Seite hat sich die Kluft zwischen den Abgesicherten und den Unabgesicherten, den Arbeitern und den Arbeiterinnen, der alten und der jungen Generation vergrößert. Auf der anderen Seite sind die großen Migrationswellen, die sich in den letzten Jahrzehnten wiederholt haben, nicht aus dem Nichts entstanden; vielmehr sind sie nicht nur eine Folge der anderen (historischen und mit der „ungleichen Entwicklung des Kapitalismus“ eng verbundenen) Kluft zwischen mehr oder weniger entwickelten Gebieten oder zwischen „alten“ und „jungen“ Kapitalismen. Sie sind auch die Folge der inzwischen schon vollständigen Durchdringung der ganzen Welt durch den Kapitalismus (der Prozess, den die Bourgeoisie verharmlosend „Globalisierung“ nennt) und dem endgültigen Schließen des Zyklus der nationalen und kolonialen Revolutionen mit dem Aufstieg aggressiver lokaler Bourgeoisien. Auf einem so zerklüfteten und von epochalen Umwälzungen durchzogenen Terrain konnten sich alle (politischen und gewerkschaftlichen) anti-proletarischen Kräfte ungestört austoben, und dabei die „einheimischen“ Arbeiter_innen gegen die ausländischen aufwiegeln, jene für das Kapital wertvollen Hilfsarbeiter_innen, die die Zahl des Weltproletariats kontinuierlich vergrößern. Gegen dieses Proletariat, das ununterbrochen von den allgemeinen Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise aufgewühlt wird, wurden schließlich mit einer Belastung, die direkt proportional zur Tiefe und zum Ausmaß der Krise steht, all die materiellen und ideologischen Druckmittel eingesetzt, die von der Bourgeoisie (von der nationalen Bourgeoisie) bereit gestellt wurden, um dessen größte Widersprüche und Antagonismen zu kanalisieren und fehlzuleiten: alle religiösen Überzeugungen, Reformismus und Populismus in all ihren Varianten und alle Arten von Drogen, ob chemisch, kulturell oder sozial, die sich vor allem an die jüngeren Generationen richten, denen sogar das Kurzzeitgedächtnis ihrer wichtigen Traditionen des Kampfes entrissen wurden.

Trotz allem ist der rote Faden der revolutionären Perspektive jedoch nicht gerissen, dank der Arbeit – die die Gesamtheit von Bilanz, theoretischer und organisatorischer Wiederherstellung und offenem politischen Kampf ist –, die über Jahrzehnte von der proletarischen Avantgarde, die durch unsere Partei vertreten wird, gegen alle (politischen und gewerkschaftlichen) Kräfte gerichtet wurde, die die Aufopferungsbereitschaft und die Kampfbereitschaft des Proletariats verraten, irregeführt und entmachtet haben. Als Minderheit und Gegenströmung, die wir sind, haben wir mit Klauen und Zähnen die Kontinuität des kommunistischen Programms verteidigt, dabei nie aufgehört, den Zyklus der kapitalistischen Wirtschaft zu analysieren, eine erbitterte Kritik an all ihren (praktischen und ideologischen) Erscheinungsformen zu entwickeln und dort, wo es unsere Kräfte erlauben, zu intervenieren, um die wenigen, doch mutigen Kämpfe auszuweiten und in die richtige Richtung zu leiten. Trotz der enormen Schwierigkeiten, die wir nie verhehlt haben, geht diese Arbeit weiter. Sie muss fortgesetzt werden, wenn wir verhindern wollen, dass das neue Gemetzel, das sich bereits anbahnt, die Perspektive des Kommunismus und einer endlich klassenlosen Gesellschaft dieses Mal in einer noch verheerenderen Weise in die Ferne rücken lässt. Die proletarischen Avantgarden müssen daher wissen, dass wir an unserem Platz sind, und dass ihr Platz hier bei uns ist.

Übersetzt aus: il programma comunista, Juli/August 2019

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