WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

Über die wirtschaftliche und soziale Situation in einer deutschen Kleinstadt, die kapitalistischen „Sachzwänge“ und deren Folgen für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung.

In Frankenthal (Pfalz) gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts einige für damalige Verhältnisse große Firmen, so die Klein, Schanzlin + Becker (KSB), die Albert Frankenthal (Druckmaschinen) sowie die AG Kühnle, Kopp und Kausch, KKK (Turbinen und Turbolader). Wie fast überall in den deutschen Produktionsbetrieben, so ging es auch hier mit dem Personal steil bergab: nach mehreren jahrzehntelangen Umstrukturierungen und Fusionen wurde aus Albert schließlich die König + Bauer AG, Hauptsitz Würzburg (KBA), die KKK ging nach einem Zwischenschritt über Siemens schließlich an die Howden AG. Das Resultat war, insbesondere nach der Jahrtausendwende, in beiden Fällen ein drastischer Personalabbau von mehreren tausend Arbeitsplätzen. Konnte man im Falle der KBA und KKK noch von strukturbedingten „Schrumpfungen“ infolge von Überkapazitäten am „Markt“ sprechen, so stellt sich das bei der KSB anders dar. Diese Firma bezeichnet sich selbst als weltgrößten Hersteller von Pumpen, insbesondere für Kraftwerksanlagen, und macht bis in die jüngste Zeit recht gute Geschäfte. Um ihren Profit zu maximieren, wurde auch hier das Personal drastisch reduziert. Das Ergebnis – wie immer – Arbeitsverdichtung, Verlängerung von Arbeitszeiten, Abbau von sozialen Leistungen. Nebenbei bemerkt kommt das alles einer einzigen Eigentümerfamilie zugute… Und dann gab es hier noch bis 2017 die Firma Sternjakob, die die bekannten Scout-Schulranzen produzierte. Eigentümer war bereits seit 1990 die Nürnberger Fa. Steinmann, die nach und nach aus Profitgründen die Produktion nach China verlagerte. Auch hier fielen schließlich weit über hundert (Höchststand in den 90er Jahren) Arbeitsplätze endgültig weg; das Werk wurde geschlossen.

Vor dem Hintergrund von Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung versuchen die Kommunalpolitiker in dieser strukturschwachen Region schon seit vielen Jahren krampfhaft, neue „Gewerbegebiete“ zu schaffen, um damit neue Unternehmen anzulocken. So kamen der Oberbürgermeister und die Stadträte ca. 2010 auf die Idee, eine vollkommen neue, gigantische Gewerbefläche auszuweisen. Sie heißt „Am Römig“ und liegt satte 8 km vom Stadtzentrum entfernt, vollkommen unerschlossen, mitten im Ackerland. Über einen „Projektentwickler“ sollten die Gewerbeflächen an mögliche Investoren weiterverkauft werden – voll erschlossen für günstige 95 Euro pro Quadratmeter („Immobilien-Report der Metropolregion Rhein-Neckar“, Ausgabe 27 von 2010).

2012 hatte die Stadt dann einen ersten Interessenten am Haken: Es handelte sich um die Metro-Gruppe, die dort ein Warenlager errichten wollte. Die Verhandlungen scheiterten jedoch 2013 krachend, es wurde ruhig um das Gewerbegebiet. Bis 2016 der inzwischen neu ins Amt gekommene, noch viel dynamischere Oberbürgermeister voller Stolz feierlich verkündete, dass man mit Amazon einen Weltkonzern gefunden hätte, der sich in Frankenthal engagieren wolle. Wo? Natürlich Am Römig. Da gibt es ja bekanntlich so viel Platz. Die Erschließung der Gewerbefläche und die Ansiedlung von Amazon war mit der Zubetonierung von wertvollem Ackerland, der Bebauung einer Frischluftschneise und einem deutlich wachsenden Verkehrsaufkommen für die umliegenden Orte verbunden. Darüber hinaus musste eine umfangreiche Infrastruktur für ein Gelände von 88.000 Quadratmetern, was 12 Fußballfeldern entspricht oder einem Dorf mit 300 Einwohnern geschaffen werden: Straßen, Plätze, Kanalisation, Verkehrsanlagen usw. mussten auf Kosten der öffentlichen Kassen gebaut werden; alleine der Umbau einer vorher bereits bestehenden Kreuzung hat ca. 2,5 Mio. € verschlungen, von den übrigen Kosten für das eigentliche Industriegebiet in Millionenhöhe ganz zu schweigen. Diese Kosten wurden und werden durch Steuermittel finanziert – denn in Konkurrenz mit anderen Kommunen und Regionen um die Ansiedelung von Unternehmen ist man gerne dazu bereit, den Investoren großzügig entgegenzukommen. Letztlich das alles, um dem Amazon-Gründer, Milliardär Jeff Bezos, zu weiterem dringend benötigtem Reichtum zu verhelfen.

Auf der anderen Seite werden die Haushaltsmittel vom Staat nicht so großzügig bereitgestellt, wenn es um wirklich wichtige Aufgaben geht, die die Menschen ganz unmittelbar im wahrsten Sinne des Wortes treffen. So war es hier (zeitgleich zur Amazon-Ansiedlung) bis zum Herbst 2018 nicht möglich, das seit der großen Flüchtlingswelle 2015 bestehende Zelt- und Containerdorf auf dem städtischen Benderplatz aufzulösen, indem man den Migrant_innen Wohnungen gab. Im Hitzesommer 2018 mussten die Menschen bei 40° C ausharren, immer wieder durch Versprechungen vertröstet. Flüchtlingsbetreuer beklagten den Missstand gegenüber der Verwaltung, stießen aber auf taube Ohren; auch der sonst wortgewaltige Oberbürgermeister interessierte sich nicht sonderlich – Frankenthal war gar die letzte Stadt in Rheinland-Pfalz, die zu diesem Zeitpunkt noch ein solches Lager betrieb.

Bezüglich der Ansiedelung von Amazon hatte sich daher bereits im Vorfeld der Planungen diffuser Widerstand in der Bevölkerung formiert, letztlich jedoch erfolglos. Überhaupt die Arbeitsplätze: denn wer will denn ernsthaft widersprechen, wenn ein Kapitalist kommt, der allen Ernstes sage und schreibe bis zu 2000 Arbeitsplätze (hauptsächlich im Niedriglohnsektor!) ankündigt? Da wird „alternativlos“ dafür entschieden!

2018 im Sommer ging das Riesenlager dann in Betrieb. Doch irgendetwas stimmte nicht mit der Infrastruktur: keiner hatte bedacht, dass die Arbeiter_innen nicht alle ein eigenes Fahrzeug besitzen, um es auf dem Firmenparkplatz abzustellen, sondern auf Bus und Bahn angewiesen sind. Die großspurig angekündigte Buslinie von der Innenstadt zum Global Player war gar nicht da! Seitens der bürgerlichen Politik wurden dutzende Ausreden angeführt, der Vertrag mit der DB sei von dieser nicht erfüllt worden, weil das Km-Volumen nicht abgesprochen war (!) usw. usw., eben die Schuld der ANDEREN. Das nützte den Arbeiter_innen rein gar nichts. In der Not benutzten sie den nächstgelegenen Haltepunkt der Stadtbahnlinie der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) in Ruchheim, Entfernung zu Amazon: 1,5 km. Der Weg war allerdings lebensgefährlich, da er über einen Autobahnzubringer führt, dann weiter über eine vielbefahrene Landstraße – im Winter ein ganz besonderes Vergnügen, da keine Beleuchtung vorhanden ist. Dies führte auch zu langen Diskussionen in der bürgerlichen Presse über diese unsägliche Situation. Im Übrigen hat Amazon ausdrücklich betont, dass der Arbeitsweg voll und ganz Sache der Arbeiter_innen ist, hier das Amazon-Zitat aus der „Rheinpfalz“ vom 28.12.2018: „‘Selbstverständlich wurde im Zuge dessen auch der besagte Fußweg thematisiert‘. Konkret heißt dies, dass zum Start des Logistikzentrums mit Schichtleiter_innen und Mitarbeiter_innen gesprochen worden sei, sagt ein Sprecher. Sie wurden zur Vorsicht während der dunklen Jahreszeit aufgerufen. Der Hinweis: möglichst keine dunkle Kleidung tragen und auf den Wegen bleiben. Doch die gibt es eben nicht überall. Auf der anderen Seite: Amazon ist nicht für den Straßenbau zuständig. Und für Unternehmen endet die Zuständigkeit an der Grenze des Firmengrundstücks“.- Ende des Zitats. Noch zynischer geht es nicht!

Im Sommer 2019 wurde der Betrieb dann hochoffiziell unter Teilnahme der High Society aus Frankenthal und Rheinland-Pfalz mit Riesen-Brimborium eröffnet. Mittlerweile, so die „Rheinpfalz“ vom 27.06.2019, arbeiten angeblich mehr als 1600 Mitarbeiter_innen dort. Wobei keine Aussage möglich ist, wie viele Vollzeit-Mitarbeiter_innen darunter sind und die Arbeitsbedingungen sind dort genauso, wie wir es von Amazon gewohnt sind: Ehemalige Mitarbeiter_innen berichteten der Tageszeitung, dass Druck durch Vorgesetzte ausgeübt wird. Ein weiteres Zitat aus dem „Rheinpfalz“-Artikel vom 28.01.2019: „‘Wenn Du Dich anstrengst, bekommst Du eine Verlängerung‘ – das habe er seit August immer wieder gehört, erzählt ein ehemaliger Amazon-Versandmitarbeiter_innen beim Gespräch in der Redaktion. Am Ende sei der befristete Vertrag trotzdem nicht verlängert worden, ‚obwohl ich nie gefehlt und mich kaputt geschuftet habe‘... Laut eigener Angaben zahle Amazon den Mitarbeiter_innen den sensationellen Stundenlohn von 11.25 € (für die Logistikbranche), verschweigt aber gleichzeitig, dass er schon lange mit der Gewerkschaft Verdi im Clinch liegt, die eine Einstufung der Mitarbeiter_innen nach dem besseren Tarif für Online-Händler fordert. Es kommt noch drastischer: Vertreter des örtlichen DGB berichteten unlängst anlässlich eines Betriebsrätetreffens, dass die Mitarbeiter_innen bei Amazon fast in allen Arbeitsbereichen per Videokamera überwacht werden. Einzelne Mitarbeiter_innen aus anderen Niederlassungen erwähnten gar, dass dies sogar in den Umkleideräumen geschieht. Begründung des Konzerns: vorbeugende Maßnahmen gegen Diebstähle! Im Übrigen hat der DGB bei diesem Treffen auch die Steuervermeidungsstrategie des Unternehmens beklagt. Ja, war das nicht vorher schon klar? Die Regime-Gewerkschaften machen es sich wahrhaft leicht, ein paar Krokodilstränen, Achselzucken, bedauernde, warme Worte und schnell wieder zur Tagesordnung, dem netten Kuscheln mit den kapitalistischen Bonzen, übergehen.

„Schön“ ist auch die fabelhafte Zusammenarbeit von Amazon mit den örtlichen Jobcentern, wie unter vorgehaltener Hand erzählt wird und wie wir aus persönlichen Kontakten bestätigen können. Diese Behörden sorgen dafür, dass dem Global Player die willigen Arbeitskräfte zugeteilt werden, indem Hartz IV-Bezieher und Flüchtlinge durch die Androhung von Sanktionen (Leistungskürzungen oder Aufenthaltsrecht) dazu gezwungen werden, als Billigjobber für Amazon zu arbeiten – „Widerstand zwecklos“. Wir wissen aus eigenen Gesprächen mit syrischen Migrant_innen, dass sie alles tun würden, um gerade nicht DORT arbeiten zu müssen. Sie wissen, von ihren Leidensgenoss_innen informiert, nur allzu gut Bescheid, was sich dort so zuträgt... Ähnlichkeiten mit den Sklaven-Obst- und Gemüseplantagen in Südspanien und Süditalien, die ebenfalls vorwiegend Migrant_innen als Sklaven auf das Brutalste ausbeuten, sind unverkennbar. In Deutschland ist das im Resultat ganz genauso, nur etwas subtiler. Schönes, reiches Land!

Die hier geschilderten Geschehnisse stellen keine skurrile Provinzposse dar, es sind die traurigen Tatsachen des kapitalistischen Systems, die sich in ähnlicher Weise nicht nur in Deutschland ständig wiederholen, mit wechselnden Akteuren, austauschbar, aber mit immer denselben Leidtragenden: den Angehörigen des Proletariats. Und es wird sich erst dann etwas ändern, wenn sich die Arbeiter_innen wieder bewusst werden, dass sie eine unterdrückte Klasse sind und dafür kämpfen müssen, um sich vom Joch der Ausbeutung zu befreien.

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