WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederherstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

Kaum ein Arbeitskampf in Deutschland hat in den letzten zehn Jahren so viel öffentliche Aufmerksamkeit und so eine breite bürgerliche Hetze erfahren wie der Streik der Lokführer und Zugbegleiter. Das liegt einerseits an der beharrlichen Ablehnung der Deutschen Bahn (DB), den Forderungen des Zugpersonals entgegenzukommen – andererseits ist das in der Spartengewerkschaft „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ (GDL) organisierte Zugpersonal wütend über die hohe Arbeitsbelastung und die im europäischen Vergleich außerordentlich geringe Bezahlung insbesondere für Lokführer1, und hat vom 19. bis 21. Mai 2015 nun schon das neunte Mal in Folge seit September 2014 den Bahnverkehr in Deutschland bestreikt. Der Bahn gelingt es während der Streiks lediglich, mit Notfallfahrplänen einen geringen Teil des normalen Bahnverkehrs aufrechtzuerhalten.

 

Aber wie kam es dazu, dass gerade dieser Kampf von den Beschäftigten so vehement und enthusiastisch geführt und die eigene Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht überwunden werden konnte? Im Wesentlichen gibt es hierfür 3 Gründe:

Erstens sind die in der GDL organisierten Beschäftigten in der Lage, mit dem Güter- und Personenverkehr 2 zentrale Wirtschaftsbereiche zu blockieren. Somit verfügen sie über ein sehr großes Druckpotential.

Zweitens ist mit über 75% der Organisierungsgrad der Lokführer bei der Spartengewerkschaft GDL relativ hoch. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit ein Streik kämpferisch und erfolgreich geführt werden kann.

Drittens: „Das Zugpersonal hat die Nase gestrichen voll“2, ist also wütend und somit auch entschlossen, mit Nachdruck für die eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen, statt sich an der eigenen Nase herumführen zu lassen.

Es ist klar, dass der Streik als wirtschaftliches Druckmittel dem Unternehmen weh tun muss: Wenn man will, dass die Forderungen der Arbeiter berücksichtigt und akzeptiert werden, muss er für den Gegenpart den größtmöglichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Eine Gewerkschaft, die die Kampfmöglichkeiten der Arbeiter beschneidet oder ganz auf sie verzichtet und die eigene Strategie und Aktion somit der Sozialpartnerschaft mit dem Kapital und dessen Staat unterordnet, kann lediglich faule Kompromisse erzielen und wird stets versuchen, diese auch noch als Erfolg zu verkaufen. Dass die Arbeiterklasse von den fest in den bürgerlichen Staatsapparat integrierten DGB-Gewerkschaften mit Minimalforderungen ruhig gestellt wird, haben wir in den letzten Jahren zu häufig erlebt. Deshalb beobachten wir es mit großem Interesse und Sympathie, wie sich ein Teil der Arbeiterklasse in Deutschland seiner Kraft bewusst wird, für seine Interessen kämpft und dafür in großen Teilen der Klasse Zustimmung und Unterstützung erntet: weil trotz der Hetze von Unternehmen und dem Staat, den Medien und den bürgerlichen Politikern den Angriffen des Kapitals und der eigenen Ohnmacht etwas entgegengesetzt wird.

 

Um was geht es beim aktuellen Arbeitskampf wirklich?

 

Die GDL ist eine kleine Spartengewerkschaft, die im Deutschen Beamtenbund (DBB) organisiert ist und weder in irgendeiner „linken“ Tradition steht, noch besonders radikal in ihren Forderungen ist, auch wenn ihr das sowohl von ihren bürgerlichen Feinden als auch von ihren „linksradikalen“ Unterstützern teilweise unterstellt wird. Ihr Unterschied zu den DGB-Gewerkschaften besteht zum Einen darin, dass sie als Spartengewerkschaft einen stärkeren Bezug zu ihrer Basis hat, zum anderen darin, dass sie durch die fehlende Nähe zur SPD weniger Rücksicht auf deutsche Kapitalinteressen nimmt. Außerdem muss sie sich gegenüber dem DGB profilieren.

Konkret werden 5 Prozent Lohnerhöhung gefordert3, was angesichts der Tatsache, dass sich die deutschen Lokführer im europaweiten Vergleich am untersten Ende der Lohnskala wiederfinden, nicht besonders viel ist. Dann wird für die gleiche Bezahlung der Rangierlokführer und außerdem für die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 auf 38 Stunden und für die Begrenzung von Überstunden gekämpft – also für eine generelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus fordert die GDL berechtigterweise einen eigenen Tarifvertrag; eine Einigung mit der DB-freundlichen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG (2010 hervorgegangen aus der ebenfalls unternehmerfreundlichen Transnet4 und der GDBA) ist gegenüber den Beschäftigten weder zumut- noch durchsetzbar.

Der Bahn-Konzern, zu 100% Staatseigentum, verweigert sich jeder einzelnen Forderung vehement. Insbesondere die Forderung der GDL, einen eigenen Tarifvertrag unabhängig von der EVG abzuschließen, wird von der Bahn strikt mit der Begründung abgelehnt, es dürfe keine unterschiedlichen Tarifverträge im selben Unternehmen geben. Diese Begründung erscheint vor allem vor dem Hintergrund absurd, dass die Bahn selber durch die Gründung von Zeitarbeitsfirmen und Tochtergesellschaften die Belegschaften gezielt spaltet, um Lohndumping und ungleiche Bezahlung innerhalb einer Berufsgruppe durchzusetzen. Auch gegen diese Spaltung hat die GDL in der Vergangenheit gekämpft.5

Seit fast einem Jahr versucht die DB nun schon, den Konflikt auszusitzen und die alleinige Schuld für das „Bahnchaos“ der GDL zuzuschieben. Unterstützt wird sie dabei von den Kampagnen der Massenmedien, der Hetze von bürgerlichen Politikern und durch die Entsolidarisierung von großen Teilen der DGB-Gewerkschaften mit den kämpfenden DB-Kollegen – also vom gesamten bürgerlichen Staatsapparat.

Des Weiteren erhofft sich die DB einen taktischen Vorteil durch das Warten auf das am 22. Mai 2015 verabschiedete Tarifeinheitsgesetz, welches Streiks kleiner und kämpferischer Gewerkschaften verbieten soll, und deshalb von der Mehrheit der DGB-Gewerkschaften, von Unternehmensverbänden und bürgerlichen Parteien gefordert wurde; die GDL reagierte darauf verärgert und kämpferisch.

Nach dem neunten Streik versucht die GDL nun, durch weitere Verhandlungen doch noch eine Lösung in dem festgefahrenen Arbeitskampf zu erzielen. Während dieser Zeit (27. Mai bis 30. Juni) gilt die Friedenspflicht und weitere Streiks sind vorerst nicht in Sicht.

 

Wie müssen wir diesen Arbeitskampf einschätzen?

 

Derzeit (Mitte Juni) ist es noch offen, wie der Konflikt zwischen GDL und Bahn ausgehen wird und wie weit die Forderungen durchgesetzt werden können. Doch bereits jetzt lässt sich sagen, dass die Streiks eine positive Dynamik auf andere Kämpfe entfaltet haben. Die Arbeiter werden sich ihrer Kampfkraft wieder stärker bewusst und kämpfen selbstbewusster für ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen im Zusammenstoß mit dem Kapital. Der unversöhnliche Klassenwiderspruch tritt punktuell zu Tage. Genannt seien hier die Streiks in den Kitas6, bei Amazon7, bei der Post8 und bei Prosegur9 (Geldtransport für Banken): So viel gekämpft und gestreikt wurde in Deutschland lange nicht. Auch lässt sich in manchen Branchen seit einigen Jahren eine Tendenz erkennen, dass sich die Arbeiter in Konkurrenz zu den DGB-Gewerkschaften organisieren – meist in kleinen Spartengewerkschaften: GDL, Marburger Bund (Ärztegewerkschaft) oder der Vereinigung Cockpit (Berufsverband der Piloten und Flugingenieure). Die DGB-Gewerkschaft ver.di gerät dadurch in den Tarifauseinandersetzungen unter Druck „etwas mehr“ für ihre Mitglieder herauszuholen wie in den aktuellen Auseinandersetzungen bei den Kita und der Deutschen Post.

Das darf aber nicht über die Rolle der Spartengewerkschaften hinwegtäuschen und falsche Illusionen wecken. Sie sind zwar meistens konfrontativer und kämpferischer als die DGB-Gewerkschaften, jedoch vor allem deshalb, weil sie sich vor ihren Mitgliedern gegenüber dem DGB profilieren müssen und ein organisatorisches Eigeninteresse vertreten. Es handelt sich bei ihnen somit weder um Basis- geschweige denn um Klassengewerkschaften, die das proletarische Klasseninteresse besonders vertreten und die aktive Beteiligung und Organisierung der Arbeiter in den Kämpfen vorantreiben würden. Sie stellen deshalb keine grundsätzliche organisatorische Alternative zu den DGB-Gewerkschaften zur Vorbereitung neuer Klassenkämpfe dar. Darüber hinaus ist ihre Beschränkung auf einzelne Berufsgruppen ein großes Problem.

Ein weiteres Resultat des aktuellen Kampfes ist, dass er die Fronten zwischen „Freund und Feind“ klärt: Dort, wo die Arbeiter etwas mehr fordern, etwas rabiater auftreten, aus dem von den offiziellen Gewerkschaften kontrollierten Rahmen ausscheren, ist die Hetze und Entsolidarisierung der DGB-Gewerkschaftsapparate sicher, werden kritische Gewerkschaftler an der DGB-Basis isoliert, die Arbeitskämpfe offen sabotiert und bekämpft. Noch deutlicher ist die Rolle der Massenmedien, der Politiker der Staatsparteien und schließlich der Repressionsorgane des Staates (Polizei und Justiz), spätestens dann, wenn Werkstore blockiert oder Streiks verboten werden10. In einem Arbeitskampf wird es offenkundig, dass die Staatsapparate und das Kapital auf der anderen Seite wie die Arbeiter stehen.

Trotzdem dürfen die aktuellen Kämpfe nicht überbewertet werden: Es sind vereinzelte und begrenzte Auseinandersetzungen, die gerade mal an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft und des sozialen Friedens kratzen und deren Dynamik schnell wieder verpuffen wird. Aber es sind immerhin erste Signale dafür, dass das Proletariat nicht bereit ist, sich alles gefallen zu lassen und die Kämpfe in Zukunft wieder an Schärfe zunehmen können. Dennoch sind sie (noch) weit davon entfernt, wirkliche Klassenkämpfe zu sein und die bürgerliche Gesellschaft, das Ausbeutungsverhältnis und somit die Lohnarbeit in Frage zu stellen.

Damit sie dahin kommt, muss die Arbeiterklasse wieder anfangen, sich umfassend und im internationalen Maßstab gegen die Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen, da die Probleme in Zukunft aufgrund der wachsenden Ausbeutung und der strukturellen Krise des Kapitals zunehmen werden. Hierzu muss sich das Proletariat neue langfristige Verteidigungsstrukturen schaffen, unabhängig von den staatstragenden, traditionellen Gewerkschaften. Diese Strukturen können nicht künstlich geschaffen werden, sondern nur Resultat von konkreten Kämpfen und von der Wiederaufnahmedes Klassenkampfes gegen das Kapital sein; dies ist jedoch noch ein langer Weg.

Aber das Proletariat kann diesen Weg nicht alleine aus sich selbst heraus beschreiten. Es ist illusorisch zu denken, dass es in einer spontanen Art und Weise oder nur durch die Kämpfe die bürgerlichen Ideologien der herrschenden Klasse in all ihren Formen (Opportunismus, Sozialpartnerschaft , Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Antisemitismus) bekämpfen oder sich gegen die laufenden Kriege und die zukünftigen Kriegsvorbereitungen und gegen die Gefahr eines. weltweiten Massakers positionieren könnte. Noch weniger vermag das Proletariat, die Perspektive einer Gesellschaft  jenseits von Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg zu entwickeln und dafür zu kämpfen.

Deswegen wird die Notwendigkeit der Internationalen Kommunistischen Partei immer offensichtlicher.

01.07.2015

 

Übersicht über die bisherigen GDL-Aktionen11

 

1. Warnstreik am 1. September 2014: drei Stunden im Personen- und Güterverkehr

2. Warnstreik am 6. September: drei Stunden im Personen- und Güterverkehr

1. Streik nach Urabstimmung am 7./8. Oktober: neun Stunden im Personen- und Güterverkehr

2. Streik am 15./16. Oktober: 14 Stunden im Personen- und Güterverkehr

3. Streik vom 17. bis 20. Oktober: 50 Stunden im Personenverkehr und 61 Stunden im Güterverkehr

4. Streik vom 6. bis 8. November: 64 Stunden im Personenverkehr und 75 Stunden im Güterverkehr

5. Streik vom 21. bis 23. April: 43 Stunden im Personenverkehr und 66 Stunden im Güterverkehr

6. Streik vom 4. bis 10. Mai: bislang längster Streik in der Geschichte der Deutschen BahnAG - 127 Stunden im Personenverkehr und 138 Streikstunden im Güterverkehr

7. Streik: Güterverkehr ab 19. Mai, Personenverkehr ab 20. Mai. Beides bis 21. Mai.

Schlichtung vom 27. Mai bis 30. Juni, währenddessen: Friedenspflicht

 

 

1Siehe Einkommensvergleich: GDL (Frankfurt/Main, Juli 2007): Der Fahrpersonaltarifvertrag, S. 19

10Auch wenn die GDL am Ende vor Gericht gewonnen hatte, wurde 2007 ein Streik zunächst gerichtlich verboten: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/arbeitskampf-bahn-holt-im-gerichtlichen-tauziehen-mit-der-gdl-auf/2842578.html

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