Die Laufbahn des Weltkapitalismus, Teil 2


In der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift veröffentlichten wir die Übersetzung des ersten Teils der „Weiterführung der Arbeit über die Laufbahn des Weltkapitalismus“. Dieser Text war Grundlage der Diskussion auf der Generalversammlung der Partei im Herbst 2016 in Mailand. Die Veröffentlichung des zweiten Teils der Übersetzung in dieser Ausgabe fällt in eine Zeit, in der die Anzeichen eines neuen Krisenausbruchs stärker und die entsprechenden Warnungen sowohl der kapitalistischen Apologeten von rechts als auch ihrer seichten Kritiker von links deutlicher werden.

Pünktlich zur zehnjährigen Wiederkehr von Lehmann-Pleite und Finanzkrise titelte z.B. das Wirtschaftsmagazin „Focus Money“ Anfang Oktober reißerisch: „Der Crash wird kommen!“ und illustrierte mit zahlreichen Diagrammen über den gestiegenen weltweiten Schuldenstand eine Analyse aus der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“: „Gemessen am BIP, ist die Gesamtverschuldung (des privaten und öffentlichen Sektors) weltweit bedeutend höher als vor der Krise. Ironischerweise war Überschuldung ein zentraler Faktor der Krise, und jetzt ist die Verschuldung noch höher. Da die Zinssätze immer noch außergewöhnlich niedrig und die Zentralbankbilanzen aufgeblähter sind denn je, gibt es kaum noch Mittel im Medizinschrank, um dem Patienten wieder auf die Beine zu helfen oder ihn bei einem Rückfall zu versorgen.“ (Focus Money Nr.42, S. 31). Während die Banker etwas hilflos auf ein Verlassen des Krisenmodus, der Null- bzw. Minuszinsen und der exzessiven Anleihekäufe durch die Zentralbanken hoffen und gleichzeitig vor den Gefahren die dabei aus der Dollarverschuldung der Schwellenländer und dem neuen Protektionismus erwachsen warnen, beschäftigt sich auch die kapitalistische Linke damit, wie der Kapitalismus durch Regulierungen krisenfest gemacht werden kann. Im September lud die Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der globalen Finanzkrise zu einer Fachtagung nach Berlin. Dort erklärte Sahra Wagenknecht, der „Krisengrund sei, dass die neoliberale Deregulierung des Finanzmarktes das Korsett vernünftiger Regelungen gesprengt habe“ (Tageszeitung junge welt vom 15/16.9.2018, S.9). In einem zum selben Anlass geführten Interview erklärte der Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und Vizevorsitzende der Linkspartei Axel Troost: „Die Nachkriegszeit mit einer strikten Regulierung war eine Zeit von sehr großer Finanzmarktstabilität. (…) Man kann mit konsequenter Re-Regulierung sehr wohl dafür sorgen, dass die Realwirtschaft mit Krediten versorgt und Zockerei eingedämmt wird.“ (Tageszeitung Neues Deutschland vom 14.9.2018, S.2). Wir werden in der folgenden Abhandlung zeigen, dass es gerade die Krise des kapitalistischen Akkumulationsregimes ab Mitte der 70er Jahre war, welches diese Deregulierungen für seine Weiterexistenz notwendig gemacht hat.

Sowohl den rechten als auch den linken Kapitalismusrettern ist gemein, dass sie die schon vor 150 Jahren von Marx meisterhaft analysierten systemimmanenten Krisenursachen des Kapitalismus negieren und somit ihre im Detail durchaus zutreffenden Analysen genau dort versagen müssen, wo es um die Gesamteinschätzung der Laufbahn des Weltkapitalismus geht. Sicher, eine konsequente und jede Illusionen vernichtende Analyse des Kapitalismus setzt auch ein Vernichtungsinteresse voraus, wie es nur die proletarische Klasse haben kann, deren bewusster Ausdruck die Internationale Kommunistische Partei ist. Wir schrieben in der Einleitung zu Teil 1 in der letzten Nummer zur Motivation unserer systematischen Untersuchung: „Sie ist gleichzeitig auch die Grundlage für die Praxis der Internationalen Kommunistischen Partei, um sowohl soziale Konflikte zu antizipieren und die Bedingungen für den proletarischen Kampf zu analysieren, als auch Orientierung zu geben und den Kampf an entscheidenden Stellen zuspitzen zu können.“ Auch wenn wir heute von einer wirklich interventionsfähigen „starken und kompakten Partei“ weiter entfernt sind als in der Vergangenheit, so entspricht es doch dem Lebensinteresse unserer weltweiten Klasse diese Perspektive aufrecht zu erhalten und systematisch dafür zu arbeiten. Gerade die treffende und konkrete Analyse des Kapitalismus auf der Grundlage des invarianten kommunistischen Programms, der jeder ideologische Schematismus von „Dekadenz“ und „Todeskrise“ fremd ist, beweist die Lebendigkeit der historischen Partei.

Im ersten Teil dieser Arbeit stellten wir die kapitalistische Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg dar, der mit seinen Vernichtungen von Menschen und Material ein riesiges kapitalistischen Krisenlösungsprogramm war. Wir zeigten auf, dass „der Wiederaufbau und die expansive Nachkriegs-Phase nicht auf einer produktiven Basis ähnlich oder vergleichbar zur Vorkriegsphase stattfanden, sondern auf einem Terrain von großen technologischen Innovationen“ (Kunststoffe, Biochemie, Telekommunikation...) und gingen auch auf die kommerziellen (Handels-)Aspekte ein, von der Einführung des „Golddollars“ als führende Währung im System des internationalen Austauschs (Bretton Woods 1944) bis zur Erklärung seiner Inkonvertibilität 1971: Diese Dematerialisierung des Geldes war adäquat geworden zur notwendigen größeren Geschwindigkeit und Liquidität in der Zirkulation und Realisierung der Waren auf dem Markt. Auch nachdem Mitte der 70er Jahre trotz dieser aufschiebenden Gegentendenzen die Krisenzyklen mit dem Rückgang der Wachstumsraten und der Investitionen des Kapitals wieder deutlich zu Tage traten, fand das Kapital weitere Gegenmittel: „Die Informationstechnologien erlaubten eine generelle Verringerung des Wertes der Produktionsmittel und eine Ersparnis an variablem Kapital; der Zusammenbruch des russischen Imperiums eröffnete dem Westen neue Märkte, die bis dahin versperrt waren; schließlich wurde der Finanzhebel (und wird es noch heute) bis zum Exzess und darüber hinaus ausgenutzt. Seine Ausnutzung und sein scheinbarer Erfolg waren derart, dass für die folgenden 30 Jahre der ganzen Welt falsche Hoffnungen gemacht wurden von der Möglichkeit des Kapitals, sich von der Produktion zu emanzipieren – die hartnäckige kleinbürgerliche Illusion, Geld nur aus Geld zu generieren.“ (Kommunistisches Programm Nr.1, 2017, S. 23)

Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 weicht diese Illusion zunehmend einer Erkenntnis der kapitalistischen Krisenanfälligkeit auch über die politische Linke hinaus. Deren Antworten bleiben allerdings globalisierungskritisch und regulierungswütig im Rahmen des kapitalistischen Staates. Auch wenn der Kapitalismus mit seinem Latein scheinbar am Ende ist und auch die bürgerlichen Ökonomen sehen, dass die bisherigen Maßnahmen gegen die Krise den nächsten Krisenausbruch noch befeuern, bleibt die ideologische Bindung auch weitester Teile des Proletariats an den Kapitalismus dominant. Diese Schwäche verbunden mit dem Fehlen einer wirkungsmächtigen Kommunistischen Partei lassen eine revolutionäre Ausnutzung des nächsten Krisenausbruchs als Illusion erscheinen. Es bleibt die Perspektive, die durch die Krise zwangsläufigen aufbrechenden Risse, sozialen Konflikte und Klassenkämpfe im Sinne des kommunistischen  Programms zu forcieren und voranzugehen auf dem Weg zur starken und kompakten Partei von Morgen!

 

Internationale Kommunistische Partei